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0953 - Der Fluch von Eden

0953 - Der Fluch von Eden

Titel: 0953 - Der Fluch von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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wahrscheinlich während der Folter geflüchtet hatte, um die Qualen überhaupt ertragen zu können.
    Sie rannten, bis sie nicht mehr konnten und sich außer Sichtweite von Menschen im Hinterhof einer Schenke verkrochen, aus der mitten am Tag wüstes Lachen und derbe Gesänge schallten.
    Nele versuchte ihre Brüder zu trösten, die sich eng an sie schmiegten. »Wir bleiben hier, bis es dunkel ist. Dann sehen wir weiter.«
    ***
    »Nele?«
    »Ja?«
    »Ich habe Hunger. Und Durst«, flüsterte Julius.
    »Ich auch«, quengelte Noah - und erschrak über die Lautstärke, mit der er gesprochen hatte. Schnell hielt er sieh die Hand vor den Mund.
    »Ja, ich auch«, versicherte Nele. »Ich will sehen, was ich tun kann.«
    »Ich will zu Mama«, jammerte Noah.
    Offenbar hatten er und Julius nicht gehört, was der Vermummte über ihre Mutter gesagt hatte.
    Dass sie sich selbst umgebracht hat. Nele schauderte.
    Es gab kein größeres Vergehen - für Anhänger des christlichen Glaubens. Und Dorothea Großkreutz war eine Christin vor dem Herrn gewesen. Wie hatte sie dann aber diesen Schritt tun können, der Wasser auf die Mühlen der Inquisition war? Sie würde auf ewig durch Dunkelheit und Schmerz wandern müssen, ihre Seele würde niemals Ruhe finden.
    So wurde es gepredigt. Und Nele war so sehr in diesem Glauben verwurzelt, dass sie es selbst nach den jüngsten Erlebnissen keinen Moment lang in Zweifel zog.
    Ihre geliebte Mutter war der Verdammnis anheimgefallen!
    Und wir? Sind wir damit nicht auch verflucht, als Frucht der Lenden eines Mannes, der der Ketzerei beschuldigt wird.
    Zu Recht, wie es den Anschein hatte. Zu Recht.
    Nele spürte, wie nicht nur Hunger und Durst, sondern auch die Verzweiflung überhandnahmen. Sie wünschte sich tot und begraben - aber im Gegensatz zu ihrer Mutter hätte sie niemals Hand an sich selbst gelegt. Niemals.
    Sie errötete bei dem indirekten Vorwurf, den sie ihrer toten Mutter damit machte - und sah sich nach allen Seiten um, ob sie nicht irgendwo war , die ruhelose Seele, und selbst die Gedanken hinter der Stirn ihrer Tochter sehen konnte.
    »Bleibt hier, rührt euch nicht vom Fleck. Wenn ich zurückkomme, bringe ich Essen und Trinken mit.«
    »Versprich es.«
    »Ich verspreche es.«
    Sie kroch hinter der Hecke hervor. Die Rückseite der Schenke war bis auf sie und ihre Brüder menschenleer. Es gab auch keine Fenster, nur eine schief in den Angeln hängende Tür, aus der der Lärm der Betrunkenen drang.
    Sie wusste sich nicht anders zu helfen, als weiterhin auf ihre Unsichtbarkeit zu vertrauen.
    Verzagt steuerte sie auf die Tür zu. Bevor sie sie erreichte, schwang sie auf, und eine schwankende Gestalt torkelte ins Freie. Genau auf Nele zu.
    Die Augen des Mannes waren winzig klein und stechend in einem feisten, aufgequollenen Gesicht, das fast so dick war wie der Bauch, der sich über dem strammen Ledergürtel spannte. Für einen Moment blieb der Mann wie angewurzelt stehen und stierte auf Nele. Sie erschrak bis ins Mark - bis sie merkte, dass der Kerl durch sie hindurch starrte. Nach einem Moment, der Nele unerträglich lang vorkam, setzte er sich wieder in Bewegung und stellte sich vor die Wand eines Schuppens und urinierte mit entsagungsvollen Seufzern.
    Nele wartete, bis er fertig war, sich sein Gemächt zurück ins Beinkleid gestopft hatte und wieder die Wirtshaustür erreichte. Als er sie aufriss, schlüpfte sie hinter ihm hinein - bevor er sie wieder schloss.
    Lärm, Stimmen, schlechte Luft und Gerüche empfingen sie. Sie wusste gar nicht, wohin sie zuerst schauen sollte. In einem Haus wie diesem war sie nie zuvor gewesen. Außer vierschrötigen Kerlen waren zu ihrer Überraschung auch Frauen anwesend. Drall und liederlich gekleidet. Nele merkte, wie es ihr den Atem verschlug. Noch gehetzter sah sie sich um, suchte nach Ess- und Trinkbarem, bemüht, mit niemandem zusammenzustoßen.
    Doch als sie sich in eine Ecke zwängte, um mehr Sicherheit zu gewinnen und von hier aus alles sorgsamer in Augenschein nahmen zu können - sie suchte ja nichts Alkoholisches, sondern simples Brunnenwasser und vielleicht zwei Kanten Brot samt Trockenfleisch oder Geräuchertem -, geschah es.
    Jemand trat unversehens aus einer Nische, die Nele noch gar nicht bemerkt hatte, wo aber mehrere Männer, wie ihr jetzt klar wurde, um einen klobigen Tisch herum saßen und zechten.
    Der Mann drängte vor zur Theke und musste gegen sie prallen.
    Doch sie war Luft für ihn. Und er für sie. Er ging einfach durch sie

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