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0953 - Der Fluch von Eden

0953 - Der Fluch von Eden

Titel: 0953 - Der Fluch von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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war auch schon wieder aus dem Fenster verschwunden.
    Neles Blick ging zur Tür des Häuschens, die in diesem Moment aufging. Die alte Frau war unglaublich behände. Sie trat heraus und kam den drei Flüchtlingen mit kritischem Blick entgegen.
    »Wer seid ihr? Woher kommt ihr? Was wollt ihr?« Die Greisin trug mehr Stoff am Körper, als es Nele jemals zuvor bei einer einzelnen Person gesehen hatte. Es sah aus, als hätte sie fünf, sechs Kleidungsstücke übereinander angezogen. Aber nicht einmal das konnte den Eindruck übertünchen, dass sie darunter wenig mehr als Haut und Knochen war. Sie hob wie eine strenge Mutter den Zeigefinger und fügte hinzu: »Wolltet ihr mich ausrauben? Seid ihr dahergelaufene Banditen?«
    Nele erholte sich von ihrem Schrecken. Sie legte die Hände hinter die Köpfe ihrer Brüder und strich ihnen Trost spendend über die Haare. Dabei blickte sie zu den angrenzenden Häusern und hoffte, dass nicht gleich noch mehr Leute kommen und sie wie Halsabschneider behandeln würden.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Wir sind keine Strauchdiebe und Erzschurken. Sieht man das nicht?« Sie schaute an sich herab und bemerkte erst jetzt wieder, dass sie die Kleidung trug, die Wenzel ihr von seiner angeblich toten Schwester überlassen hatte.
    »Ach, Mädchen«, seufzte die Alte. »Ich habe Menschen gesehen, die wie Engel aussahen, aber Teufel waren, und ich habe solche gesehen, die wie der Leibhaftige daherkamen, aber eine Seele aus Gold hatten - du musst nur alt genug werden, um allen Spielarten der Natur begegnen zu können. Nur weil du und die zwei da ausseht, als könntet ihr kein Wässerchen trüben, heißt das noch lange nicht, dass ihr mir nicht bei der ersten Gelegenheit den Hals durchschneidet und euch mit meinem Hab und Gut davon macht!«
    Nele war eher enttäuscht als wütend über die Art und Weise, wie die alte Frau sie offenbar einschätzte. »Kommt«, sie lenkte ihre Brüder weg von dem Haus, wollte Libur so schnell wie möglich aus ihrer Erinnerung streichen. »Hier sind wir auch nicht willkommen. Wir müssen weiter.«
    Noah fing an zu weinen. Julius stampfte mit dem Fuß auf. »Nein! Ich laufe keinen Schritt mehr. Bin müde. Könnte tot umfallen!«
    »Du wirst dich zusammenreißen, das werdet ihr beide tun! Los jetzt! Lasst uns…«
    »Schon gut, schon gut - man wird ja noch seine Meinung sagen und ein wenig Vorsicht walten lassen dürfen.«
    Nele drehte sich zu der Alten um, die sie herbeiwinkte.
    Verwirrt blieb sie stehen. »Was…«
    »Haltet hier nicht Maulaffen feil - kommt rein. Setzt euch ans Feuerchen, ich wärme die Reste von gestern auf. Ist nicht viel. Aber hilft gegen Magenknurren. Und ein warmes Plätzchen am Herd zum Ausruhen sollt ihr auch bekommen.«
    Nele war über den plötzlichen Sinneswandel der alten Frau mehr als erstaunt. Sie bewegte sich immer noch nicht von der Stelle - Noah und Julius hingegen schon. Einträchtig lösten sie sich von ihrer Schwester und tapsten unsicher auf die offene Tür des Häuschens zu.
    Nele wollte sie zurückrufen. Doch dann sah sie - zum ersten Mal, wie es ihr vorkam - das Gesicht der Alten so, wie es wirklich war: gütig, Anteil nehmend.
    »Ich… wir…«
    »Lass es gut sein, Mädchen, lass es gut sein. Dieses Dorf hat noch nie jemanden weggeschickt, der Hilfe brauchte. Und ich fange auch nicht damit an. Woher kommt ihr? Wohin wollt ihr? Ach!« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das können wir alles drinnen bereden. Während ihr esst - oder wenn die Kleinen schlafen. Komm endlich, ich beiß schon nicht. Sieh nur!« Sie öffnete den Mund so weit, dass Nele Sorge hatte, sie könnte sich die Kiefer ausrenken. Zahnlose Kauleisten wurden sichtbar. Lachend schloss die Alte den Mund wieder. »Ich könnte es nicht mal, wenn ich wollte. Der letzte Zahn blieb vor zehn Jahren im Essen stecken. Hier.« Sie klopfte sich gegen die Lagen von Kleidung. »Ich hab ihn mir an einem Faden um den Hals gehängt. Soll Glück bringen, sagen die einen. Alles Humbug, sagen andere. Egal, oder? Bin nicht mehr lange hier. Dann seh ich selbst, ob's Glück oder Pech brachte - oder keinen Unterschied machte.«
    »Wie alt bist du?«, fragte Nele, während sie langsam zu der Alten ging.
    »Das weiß der Himmel. Hab aufgehört, die Sommer und Winter zu zählen. Schon lange aufgehört.«
    »Und wie heißt du? Ich bin Nele. Meine Brüder heißen Noah und Julius. Julius ist der Ältere.«
    »Ich bin Frida.«
    Nele nickte. Dicht hintereinander folgten sie den

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