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0953 - Der Fluch von Eden

0953 - Der Fluch von Eden

Titel: 0953 - Der Fluch von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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Wirtshaus lag dunkel und still vor Nele.
    Noah und Julius atmeten lautstark, der ältere von beiden Brüdern schnarchte sogar ein wenig. Wie musste erst ihnen der Schädel brummen?
    Obwohl es Nele leid tat, sie aus dem Schlaf reißen zu müssen, tat sie es. Der Protest und das Gejammer ihrer Geschwister war ihr sicher.
    Sie ermahnte sie scharf, leise zu sein und niemanden auf sich aufmerksam zu machen. Leise und eindringlich erklärte sie ihnen, was sie vorhatte.
    »Wir verlassen die Stadt. Hier sind wir nicht sicher. Und keine Zeit wäre besser dafür geeignet als die Stunden vor Tagesanbruch - wenn es hell wird am Horizont müssen wir Köln schon hinter uns gelassen haben.«
    »Hinter uns gelassen haben?«, echote Julius ablehnend.
    Sie wusste, wie unvorstellbar das für ihn sein musste - weil es auch für sie eigentlich nicht vorstellbar war. Aber wenn sie in der Stadt blieben, würden die Inquisitoren sie früher oder später finden, und dann…
    Sie konnte die Worte des Erzbischofs nicht vergessen, der angeordnet hatte, Noah und Julius in seine Gemächer zu schaffen. Dieser Unhold! Warum erschlug der Herrgott ihn nicht mit einem Blitz oder einer Ziegel, die »zufällig« vom nächstbesten Dach fiel?
    Weil es keinen Herrgott gibt , dachte Nele bitter. Gäbe es ihn, hätte er niemals zugelassen, dass uns das widerfährt!
    Sie mochte es sich nicht eingestehen, aber vielleicht war es ihnen nur widerfahren, weil ihr Herr Vater -
    Nein! Er war immer gut zu mir!
    Sie blockte jeden Tadel an ihn ab.
    Unbemerkt schlüpften sie durch das nächstgelegene Stadttor, das Igelsteinportz, und wandten sich nach Süden. Nele hielt ihre Brüder unablässig an den Händen, in der Hoffnung, dass sich ihr Tarnzauber auf alles übertrug, was sie berührte.
    Mehr als einmal warf Nele einen Blick zurück, dorthin, wo man im Mondlicht die Ringmauer und die Türme, die zum Schutz der Bürger errichtet waren, nur ahnen konnte. Ihr Herz war eng, ihre Kehle trocken, und sie musste sich die Tränen verkneifen. Irgendwann ging das nicht mehr, und sie heulte hemmungslos - aber ohne dass ein Ton ihre Lippen verließ. Die Dunkelheit verbarg ihre Traurigkeit. Nele wollte nicht, dass ihre Geschwister sie so schwach erlebten. Was sie jetzt vor allem anderen brauchten, war Führung. Eine entschlossene Hand.
    Nele musste ihnen von diesem Tag an Vater und Mutter sein.
    Aber kann ich das? Ich brauchte selbst jemanden, der mich an der Hand nimmt.
    Sie wies die Selbstzweifel in ihre Schranken.
    Im Morgengrauen hatten sie Köln hinter sich gelassen und waren völlig durchfroren, denn die Kälte und der zerrende Wind mussten sie nicht »sehen«, um sie mit eisigem Atem umfangen zu können.
    Noah und Julius waren restlos erschöpft, trotzdem trieb Nele sie weiter, bis vor ihnen das Dorf auftauchte, von dem Nele gehofft hatte, es zu finden, auch wenn sie es nur vom Hörensagen kannte.
    Libur bestand nur aus wenigen Häusern, und aus der Ferne war niemand zu erblicken, der sich im Freien aufhielt. Alle Bewohner schienen noch zu schlafen, und nur aus einem Häuschen am Rand stieg bereits eine dünne Rauchsäule aus der Kaminöffnung im Dach.
    Kurz entschlossen hielt Nele darauf zu.
    ***
    Ihr Plan war kein wirklicher Plan. Aber wahrscheinlich würde er funktionieren - zumindest wenn sie ihre bisherigen Erfahrungen mit ihrer neu entdeckten Gabe zum Maßstab nahm.
    Falls ihr und ihren Brüdern Ablehnung oder gar offene Feindseligkeit entgegenschlagen würde, konnten sie sich immer noch unter dem Tarnmantel ihrer Gabe davonmachen. Wenn ihnen Freundlichkeit oder zumindest Duldung widerfuhr, brauchte Nele darauf nicht zurückzugreifen.
    Simpel, aber - wie sie hoffte - machbar.
    Die Buben erreichten das Häuschen mit letzter Kraft, blieben aber wacker und stumm, wie Nele es von ihnen gefordert hatte. Sie wandte sich einem von zwei kleinen Fensterlöchern zu, die von innen mit grobem Leinen verhangen waren. Nele stellte sich auf die Zehenspitzen, beugte sich in die ovale Öffnung und schob das Tuch vorsichtig mit der Hand beiseite, um einen Blick ins Innere zu erhaschen.
    Doch plötzlich wurde das Leinen von drinnen zur Seite gerissen, und die Nase einer uralt aussehenden, runzligen Frau tauchte direkt vor Neles Nase auf. Beide Spitzen berührten sich sogar kurz - ehe Nele erschrocken zurückzuckte. Ein leiser Schrei entfloh ihren Lippen. Julius und Noah drängten sich furchtsam an sie und fragten unisono: »Was ist?«
    Sie hatten die Alte noch nicht bemerkt, und sie

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