0957 - Das Aibon-Gezücht
daß wir sie nicht aus dem Bett werfen.«
»Bestimmt nicht, John. Sie wissen alle, daß sie wachsam sein müssen. Und daran halten sie sich auch.«
»Da gibt es noch ein Problem, Suko«, sagte ich, als wir im Lift standen und nach unten fuhren.
»Welches?«
»Die Conollys.«
»Ja, richtig.«
Ich räusperte mich. »Wäre es nicht besser, wenn wir sie einweihen?«
»Später, John, wenn wir eine Spur haben…«
***
Es machte bald keinen Spaß mehr, sich in London zu bewegen. Das lag nicht an der Stadt, sondern an der verdammten Kälte, die einfach nicht weichen wollte. Das fast Mitte März, wo sich der Körper bereits auf den Frühling eingestellt hatte und nicht auf Minustemperaturen, wie wir sie jeden Morgen ablesen konnten.
Entsprechend froren die Menschen. Entsprechend hatten sich Grippewellen und Erkältungskrankheiten ausgebreitet, aber wir waren davon verschont geblieben.
Der Rover zuckelte durch London, durch eine Stadt, die mal wieder dicht war, die aber auch im Schein der Märzsonne glänzte und trotzdem keine Wärme vermittelte. Draußen waren es immerhin minus fünf Grad Cellsius.
»Ich liebe den Winter«, sagte ich und las damit einen Text ab, der auf der Rückseite eines Lieferwagens stand, der vor uns herzuckelte. Aus dem Auspuffrohr drangen dicke, helle Wolken. Aber daß ich den Winter liebte, das konnte ich in diesem Jahr nicht behaupten.
Suko fuhr. Er kannte sich aus. Er wußte, so er die besten Auskünfte bekommen konnte. Zumeist in einem der zahlreichen Restaurants, aber sicher war es nicht.
»Kannst du dir denken, was die Ophiten vorhaben?« fragte ich meinen Freund.
»Einen alten Kult wiederbeleben.«
»Ja«, stimmte ich zu und schaute auf meine Hände. »Aber wofür? Was wollen sie damit bezwecken? Ich kenne da nur eine Lösung. Die Herrschaft der Schlange.«
»Das genau wird es sein.« Ich verzog den Mund. »Die Herrschaft der Schlange, wie auch immer. Verbunden mit der Angst vieler vor der Jahrtäusendwende. Obwohl wir noch einige Jahre Zeit haben, wird überall geschrieben, wie gefährlich und unheimlich diese Zeiteinschnitte für die Menschen sind, daß sich vieles ändern wird. Daß wir in die Ära des Wassermanns hineinrutschen. Es kommt also zu großen Umwälzungen. Davor haben manche Menschen schon Angst.«
»Man macht ihnen Angst.«
»Oder auch so«, sagte ich.
Schlange - das war auf der einen Seite das Paradies, auf der anderen aber die Endzeit. Nur so mußte man es sehen. Es gab nichts dazwischen. Entweder stimmte man für die Schlange, oder man war gegen sie. Wer sie allerdings zum Feind hatte, mußte um sein Leben fürchten.
Suko bog in eine schmale Straße, in der selbst zu dieser Zeit schon reges Treiben herrschte. Wagen drängelten sich zwischen den Häusern.
Da wurde ent-und beladen. Nachschub für Küchen und kleine Fabriken wurde gebracht. Wer hier arbeitete, der mußte wirklich malochen und bekam oft einen mehr als bescheidenen Lohn.
Nicht weit entfernt schimmerte Wasser. Auf ihm trieben grauschmutzige Eisschollen wie Inseln. Der Wasserstreifen gehörte zu einem Seitenarm der Themse, die sich in dieser Gegend etwas verzweigte. Es war natürlich schwer, einen Parkplatz zu finden. Suko lenkte den Rover an den anderen Fahrzeugen vorbei. Wir hielten immer wieder an und schauten dabei den Männern und Frauen zu, die dicke Säcke auf den Schultern trugen und sie zu irgendwelchen Lagerräumen schleppten.
»Und was ist mit deinem Bekannten, den wir besuchen werden?« fragte ich.
»Was soll mit ihm schon sein, John?«
»Wieso weiß er über die Schlangen Bescheid?«
Suko bekam große Augen und schüttelte den Kopf. »So kannst du das nicht sehen. Ich hoffe, daß er Bescheid weiß. Zumindest aber kennt er jemanden, der uns weiterhelfen kann.«
»Schön, wie heißt dein Freund?«
»Fin Wai.«
»Kenne ich nicht.«
»Macht auch nichts. Du wirst ihn ja kennenlernen. Wir sind gleich da. Er hat viel zu tun.«
»Wir halten ihn auch nicht lange auf.«
Die Straße hatten wir geschafft. Sie lief dort aus, wo es so etwas wie ein Kai gab. Vor uns lag der Themsearm, auf dem das Eis schaukelte. Ich schaute mich etwas skeptisch um, als Suko den Rover stoppte. Dann stieg ich aus. In der Nähe standen Kräne. Containerschiffe wurden entladen. Die Geräusche gehörten einfach zur Hafengegend, und als ich mich drehte, da deutete Suko auf eine Lagerhalle, an deren Rückseite sich eine Rampe befand.
»Dort finden wir Fin Wai?«
»Ich glaube schon.«
»Und womit verdient er
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