0959 - Der Fallbeil-Mann
werden, neblig verhangen und meiner Stimmung entsprechend.
Ich aß noch ein Stück Käse, fand auch Brot und aß eine halbe Schnitte.
Die Flasche Wasser hatte ich schon fast geleert, als ich wieder zurück in die Halle ging.
Der Tote lag noch an derselben Stelle. Nur das Blut war getrocknet und zeigte auf der Oberfläche einen schwarzen Film. Um die Leiche ging ich herum, denn ich wollte zum Telefon, um in London anzurufen.
Im Büro befand sich noch niemand, aber ich wußte, daß Suko bereits auf den Beinen war.
In der Tat dauerte es nicht lange, bis er abhob. Seine Stimme klang frisch, als hätte er wunderbar geschlafen, und darum beneidete ich ihn indirekt.
»Ich bin es.«
»John - du?« Suko war baff erstaunt. »So früh am Morgen? Da stimmt doch was nicht.«
»Kann man sagen.«
»Und was?«
»Ich bin hier mit einem Toten zusammen.«
»Ist es der Lord?«
»Ja.« Ich hatte Suko eingeweiht, deshalb hatte er auch die Frage stellen können.
»Verdammt, das war nicht vorgesehen.«
»Bestimmt nicht. Man hat ihn geköpft. Ich habe es leider nicht verhindern können. - Der Fallbeil-Mann hat ihm tatsächlich den Kopf abgeschlagen.«
»Und jetzt? Was hast du vor? Was willst du tun?«
»Auf den Killer warten.«
»Hm. Soll ich kommen?«
»Nein, das wird nicht nötig sein, denke ich. Tu mir den Gefallen und gib Sir James Bescheid. Ich muß dir berichten, was sonst noch hier vorgefallen ist.«
Suko war ein guter Zuhörer, der sich natürlich auch Sorgen machte und darauf drängte, mir beizustehen. »Sollte ich deine Hilfe brauchen, sage ich dir Bescheid.«
»Falls es dann nicht schon zu spät ist.«
»Das glaube ich nicht, Suko. Es wird sich hier einiges verdichten. Ich spüre es. Bis du von London aus hier bist, kann schon alles vorbei sein. Dieser Fallbeil-Mann hat seine ursprüngliche Schiene verlassen und sich auf andere Felder begeben, wo er auch leicht scheitern kann, denke ich mal.«
»Okay, dann drücke ich dir die Daumen.«
»Das mach mal.«
Ich hatte kaum aufgelegt, als ich in meinem Rücken ein Geräusch hörte.
Zugleich erwischte mich ein kühler Luftzug. Ich wußte sofort, was geschehen war. Jemand hatte die Eingangstür geöffnet.
Ich drehte mich auf der Stelle.
Meine Augen weiteten sich.
Ich starrte auf einen fremden, dunkelhaarigen Mann, dessen Oberkörper nackt war und nur mit einer schlichten sackähnlichen Hose bekleidet war, wobei er noch auf seinen nackten Füßen stand…
***
Die Überraschungen rissen nicht ab. Keiner von uns sprach. Nur die Tür hinter dem Fremden fiel zu, und genau in dem Augenblick, als dieses Geräusch erklang, da wußte ich Bescheid. Da war mir wieder in den Sinn gekommen, wo ich diesen jungen Mann schon einmal gesehen hatte. Und zwar als Projektion im Teich. War er vielleicht diesem kleinen Gewässer im Schloßgarten entstiegen?
Er schaute mich an, ich schaute ihn an. Unsere Blicke bohrten sich ineinander, wobei jeder versuchte, in den Augen des anderen zu lesen, um den Grund des Erscheinens zu erkennen.
Ich stieß langsam und unüberhörbar die Luft aus, während der andere still blieb und nur den Kopf bewegte, weil er sich umschauen wollte. Er war gebräunt, ein attraktiver Mann um die Dreißig, an dem die Frauen sicherlich ihren Spaß haben würden. Seine Augen waren dunkel, ein männlicher Typ. Das Haar wuchs lang und lockig auf seinem Kopf, aber seine Hände sah ich nicht. Die hielt er auf dem Rücken, als wären sie dort gefesselt.
Er sprach nicht. Er sah sich nur um. Auch ich hielt mich zurück und wartete darauf, was der andere vorhatte. Nachdem er eine Weile auf der Stelle gestanden und gewartet hatte, durchlief ein Ruck seinen Körper, und er setzte das rechte Bein nach vorn, um den ersten Schritt zu gehen. Nicht in meine Richtung, er würde, wenn er seinen Weg fortsetzte, an mir vorbeigehen, und er nahm mich überhaupt nicht zur Kenntnis, sondern schritt tiefer in die Halle hinein. Wahrscheinlich wollte er sich den toten Lord genauer anschauen. Jetzt sah ich auch, weshalb er die Hände auf dem Rücken hielt. Sie waren dort tatsächlich gefesselt. Die Handgelenke wurden von Stricken umspannt.
Neben der Leiche blieb er stehen. Er schaute sie sich wortlos an. Auch in seinem Gesicht bewegte sich nichts. Etwa eine halbe Minute konzentrierte er sich auf den Toten, dann drehte er sich um und ging weiter.
So hatten wir nicht gewettet. Ich sprach ihn an, und meine Stimme schallte in seinem Rücken. »He, wer sind Sie«
Er hörte nicht. Ging
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