0959 - Der Fallbeil-Mann
Nähe des Badehauses herumgetrieben hätte, um sie zu beobachten.
Die Oberin sagte nichts. Sie hoffte darauf, daß Bucheron das Kloster bald verließ.
Das galt auch für die Mosleys, deren Schloß sich in unmittelbarer Nähe des Klosters befand. Hin und wieder besuchten die Adeligen die Nonnen, sie feierten mit ihnen zusammen eine Messe, entweder im Kloster oder in der Schloßkapelle.
Das alles bekam dieser seltsame Gast mit. Er hielt sich immer zurück, er wurde nie gesehen, aber er beobachtete selbst, und ihm war längst die schöne Edwina aufgefallen, die Schwester des Earls of Mosley.
Edwina war eine junge Frau, die gern tanzte, kokettierte und feierte. Sie war sich ihrer Schönheit sehr genau bewußt, und sie suchte immer wieder nach Männern, die sie verführen konnte. So hatte sie einen spanischen Offizier namens Carlos kennengelernt und ihn auf ihr Schloß eingeladen. Sie benutzte ihn wie ein Spielzeug, um ihn nach einer gewissen Zeit wieder abzulegen.
An einem Sommerabend, so heißt es, verließ die Baroneß ihre Räume, um im Schloßpark spazierenzugehen. Nicht ahnend, daß sie von den brennenden Augen eines Mannes beobachtet wurde, der nur auf eine Gelegenheit gewartet hatte.
Die ergab sich, weil das Schloß so gut wie leer war. Die Mosleys waren einer Einladung gefolgt, zu der Edwina nicht hatte mitgehen wollen. So war sie allein mit dem Personal, und an diesem Sommerabend im Schloßpark war sie ganz allein.
Von dem Teich wehte ihr ein kühler Luftzug entgegen. Unter den alten Trauerweiden war es schattig, doch die Frau spürte die Hitze trotzdem in ihrem Körper.
Das Wasser lockte. Niemand beobachtete sie, und so entledigte sie sich ihrer Kleider.
Das sah auch Bucheron, der lauernd hinter einem Busch hockte, von dem er den Teich gut überblicken konnte.
Endlich sah er eine nackte, schöne Frau. Rothaarig war sie, ein heller, wunderschöner Körper, wie von einem Bildhauer geschaffen, und dieser Körper tauchte ein in die Fluten des Teichs, um sich abzukühlen.
Bucheron wartete geduldig. Er wußte, daß seine Stunde kommen würde, und tatsächlich dauerte es nicht lange, da wurde es der schönen Edwina zu kalt, und sie verließ das Wasser - so wie Gott sie geschaffen hatte.
Ein großes Badetuch hatte sie mitgenommen, um sich abzutrocknen, aber sie kam nicht dazu, es zu benutzen, denn plötzlich stand Bucheron vor ihr.
Edwina erstarrte.
Sie schaute den Mann an, dessen Hose sich stark ausbeulte, und sie wußte genau, was folgen würde. Sie blickte in seine Augen und entdeckte die Gier. Gegen Männer hatte sie nichts, sie war ein Heißblut, aber dieser Mann vor ihr kam ihr vor wie ein Tier.
»Nein!« flüsterte sie.
»Nein.«
»Doch«, sagte er nur. Sie hatte schreien wollen, doch der Schock saß zu tief. Dann, als sie sich davon erholt hatte, war der Mann schneller als sie, preßte ihr seine Hand auf den Mund und wuchtete sie brutal zu Boden. Sie fiel ins Gras, dann war der Mann über ihr, und er machte es hart und brutal. Er vergewaltigte sie mehrmals hintereinander.
Er achtete nicht auf ihr Wimmern und Schreien, ließ sie schließlich, als er genug hatte, halbtot liegen und verschwand.
Das Kloster schützte ihn. Die Nonnen waren gut zu ihm, aber die Oberin dachte inzwischen anders. An dem Abend, als er Edwina vergewaltigte, hatte Schwester Anna etwas getan, für das sie sich nur anfangs schämte.
Sie war in die kleine Kammer des Mannes geschlichen, um die Truhe unter die Lupe zu nehmen, die er mitgebracht hatte. Schon seit langem hatten die Nonnen darüber gerätselt, was sie wohl verbergen konnte, aber niemand hatte sich getraut, Bucheron zu fragen.
Die Truhe war verschlossen, aber es gab auch Tricks, um Schlösser zu knacken. Die Oberin benutzte eine Haarnadel. Mit ihrer Hilfe öffnete sie die Truhe. Sie zog den Deckel hoch und erlebte das Grauen.
Es lag keine Kleidung darin, sondern ein Tötungsinstrument, eine Guillotine. Zerlegt in mehrere Teile. Da die Oberin schon Bilder von diesem Fallbeil gesehen hatte, wußte sie sehr gut Bescheid, und sie wußte auch, welche Laus sich die Nonnen mit ihm in den Pelz gesetzt hatten. Sie versteckten einen Henker, der aus Frankreich hatte fliehen müssen und sicherlich darauf wartete, seine blutigen Taten in einem anderen Land erneut zu begehen. Die Oberschwester wußte nicht, was sie unternehmen sollte. Sie hatte plötzlich Angst, verschloß die Truhe wieder und verließ die Kammer fluchtartig, um sich in der Kapelle niederzulassen und dort
Weitere Kostenlose Bücher