096 - Der grüne Leichnam
Mansfields Kleider.
Nachdem Mansfield erwacht war, kleidete er sich an. Claire führte Mansfield aus dem Spital und stieg in einen wartenden Mercedes.
Muriel Baine blieb noch im Spital. Ihre Aufgabe war klar umrissen. Sie sollte alle Patienten, alle Schwestern, Pfleger und Ärzte zu Hekates Sklaven machen.
Hekate baute vor. Sie wollte mehrere Fallen errichten. In eine würde Dorian Hunter sicher laufen.
Vergeblich hatte ich mich bemüht, herauszufinden, was Hekate beabsichtigte. Mir war ihr Verhalten rätselhaft.
Tom Baine und seine Frau waren wahrscheinlich nur Lockvögel gewesen. Hekate wollte meine Neugierde wecken. Das war ihr auch gelungen. Bei Mansfield lag die Sache schon etwas anders. Ich war mir ziemlich sicher, daß Hekate etwas mit Mansfield vorgehabt hatte. Vielleicht wollte sie mir durch ihn eine Falle stellen, was jetzt nur noch schwer möglich war, da ich vorsichtig sein würde; und was den Überfall auf Martha Pickford anbetraf, so war ich mir auch nicht sicher, ob ihr tatsächlich der Samen hätte eingepflanzt werden sollen oder ob es nur eine weitere Warnung sein sollte.
Ich kannte Hekate gut, wahrscheinlich besser als jeder andere. Als Georg Rudolf Speyer hatte ich sie kennengelernt. Es war auf der „Torquemada" gewesen. Da hatte sie mein Freund Arbues de Arrabell an Bord gebracht. Damals war Hekate ein unfertiges Geschöpf gewesen, völlig unschuldig, erschaffen von de Arrabell. Sie war aus einer Alraunenwurzel entstanden und zu einer wunderschönen Frau herangereift. Im Jahr 1539 hatte ich sie geliebt. Hekate, die ich damals einfach Alraune genannt hatte, hatte mir das Leben gerettet. Später war ich ihr dann in Deutschland begegnet. Da war sie noch immer ein unschuldiges Geschöpf gewesen. Sie hatte mir auf meinen eigenen Wunsch hin das Leben ausgesaugt. Ich war als Michele da Mosto wiedergeboren worden. Und durch meine Schuld war sie zu einem bösen Geschöpf geworden, das sich vor einiger Zeit zur Herrin der Schwarzen Familie aufgeschwungen hatte.
Aus verschiedenen Quellen hatten Coco und ich Informationen erhalten. Wir wußten, daß Hekate dagegen gewesen war, den Erzdämon Luguri zu wecken. Das war nur zu verständlich, da Hekate fürchten mußte, daß ihr Luguri die Macht entreißen würde. Hekate hatte nur geringe Erfolge vorzuweisen. Es war ihr nicht gelungen, mich zu töten, und ihre Position innerhalb der Schwarzen Familie hatte sich täglich verschlechtert. Ihre Tage waren gezählt, das stand für mich fest. Mit eigenen Augen hatte ich gesehen, wie demutsvoll sie Luguri gehorcht hatte; das war einfach unwürdig für die Herrin der Finsternis gewesen.
Ich trank einen Bourbon, rauchte eine Zigarette und dachte weiter nach.
Es konnte kein Zufall sein, daß sich Hekate jetzt in London aufhielt. Ich versuchte mich in ihre Lage zu versetzen. Was hätte ich an ihrer Stelle unternommen? Sie mußte der Schwarzen Familie einen Beweis ihrer Macht geben. Wenn sie mich und Coco tötete, würde das ihre Position stärken. Das wäre etwas, was in der Schwarzen Familie Eindruck machen würde.
Je länger ich darüber nachdachte, um so sicherer wurde ich, daß alles nur darauf abzielte, mich zu töten. Aber Hekate würde es nicht leicht haben. Der Ys-Spiegel hinderte sie daran, mich mit Magie anzugreifen. Da konnte sie nicht viel ausrichten. Sie mußte anders vorgehen.
Ich erinnerte mich an den Eistempel im Himalaja. Sie konnte Menschen zu willenlosen Sklaven formen, die ihr blind ergeben waren. Aber ich hatte nicht besonders viel Angst vor ihren Dienern. Sie stellten keine große Gefahr dar.
Abi Flindt trat ins Zimmer, und ich blickte auf.
„Henry Patrick hat mich abgelöst", sagte er und setzte sich.
„Wie geht es Mansfield?"
„Recht gut. Als ich ging, schlief er."
Langsam trank ich mein Glas leer, drückte die Zigarette aus und stand auf.
„Wohin gehst du?" fragte Coco.
„Ich sehe mir unser Waffenarsenal an. Ich befürchte, daß Hekate bald mit einem heftigen Angriff aufwarten wird, und ich will mich nicht überraschen lassen."
Coco und Abi kamen mit. Wir gingen in. den Keller und durch den ersten Raum, in dem sich meine Reliquien- und Dokumentensammlung befand. Die Schriften stapelten sich in hohen Regalen, die Waffen waren teilweise an den Wänden aufgehängt oder lagen in Vitrinen. Doch hier fand ich keine geeigneten Waffen für den Kampf gegen Hekate.
Ich trat in ein langgestrecktes Zimmer, in dem die modernen Waffen, Pistolen, Schnellfeuergewehre, Maschinenpistolen und
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