096 - Kreuzfahrt des Grauens
haben, wie er die Zähne bleckte? Und hast du seine mumifizierten Klauen bemerkt?“
„Hör auf, hör auf!“
„Ich kann es nicht verantworten, dich allein zu lassen. Komm. Wir sehen uns morgen, oder vielmehr heute gegen Mittag, Martin. Gute Nacht, Sue.“
Yanakawa führte Harriet weg.
„Ich kann doch nicht die Nacht in deiner Kabine verbringen“, sagte Harriet.
Aber ihre Stimme klang nicht überzeugend. Das ungleiche Paar – der kleine, geschmeidige Japaner und die hochgewachsene, kurvenreiche Blondine – bog um die Ecke.
Martin wandte sich Sue zu.
„In der Kabine deines Onkels ist das Ungeheuer aufgetaucht. Stell dir vor, es kommt wieder. Komm besser mit zu mir.“
„Das kommt nicht in Frage, Martin.“
„Na ja, dann bleibe ich eben hier.“
Sue strahlte Martin an.
„Du willst mich beschützen! Das werde ich dir nicht vergessen. Du bist ein Held.“
Sie betraten die Kabine, Martin wollte Sue an sich ziehen und küssen, doch sie entwand sich ihm. Sie holte einige Decken aus dem Einbauschrank und breitete sie auf dem Boden aus.
„Was wird denn das?“ fragte Martin.
„Dein Nachtlager. Was dachtest du denn?“
„Nun ja, die Koje…“
„In der schlafe ich. Aber wenn du willst, kann natürlich auch ich am Boden schlafen.“
„Das ist nicht nötig. Wir könnten doch beide…“
„Wir könnten schon, aber wir werden nicht. In der Beziehung habe ich meine Grundsätze, und wir kennen uns erst ein paar Stunden. Ich finde es aber sehr tapfer von dir, daß du trotzdem schon die Gefahr auf dich nimmst und mir gegen diese schreckliche Erscheinung beistehen willst.“
Sue verschwand in einem durch eine Zwischenwand abgeteilten Teil der Kabine, der die Toilette und eine Dusche enthielt. Martin zog seufzend Hemd, Hose und Schuhe aus, und machte es sich mit den Decken bequem, so gut es ging.
Sue kam mit einem knapp sitzenden Pyjama hinter der Zwischenwand hervor. Sie sah reizend aus mit dem langen, lackschwarzen Haar und den leicht schrägen Mandelaugen. Sie küßte Martin auf die Stirn.
„Schlaf gut, mein Held.“
„Du auch. Das wird eine unvergeßliche Nacht für mich.“
Als Sue in der Koje lag und das Licht gelöscht hatte, fiel nur durch die beiden Bullaugen ein wenig Sternenlicht in die Kabine. Martin hörte Sues Atemzüge und das Rascheln des Bettzeugs, als sie sich umdrehte.
Sue sagte: „Ich bin froh, daß du hier bist. Was glaubst du, war diese schreckliche Erscheinung aus Fleisch und Blut oder nicht?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Martin, obwohl er von Grund auf überzeugt war, daß er und Yanakawa keinem Menschen gegenübergestanden hatten.
Martin erschauerte, als er an das verwitterte, schwärzliche Gesicht dachte, und an die glühenden Augen. Er hatte Angst vor dieser höllischen Kreatur, und er war ehrlich genug, sich das einzugestehen. Er hoffte nur, daß sie nie mehr auftauchen würde.
Martin ahnte nicht, was ihn noch alles an Bord der Marcos III erwartete. Die Urlaubsreise, die er gebucht hatte, sollte zu einer Kreuzfahrt des Horrors werden.
Martin interessierte sich für alles an Bord des Schiffes. Deshalb suchte er am Mittag des folgenden Tages auch die Kommandobrücke auf, um sich alles erklären zu lassen. Der Zweite Offizier hatte ihm gesagt, er könne sich gern umsehen, wenn er die auf der Brücke Diensttuenden nicht störe.
Von den Klarsichtfenstern der Kommandobrücke aus, über deren hinterem Teil Radarmast und Funkantenne aufragten, hatte man einen ausgezeichneten Rundblick. Als Martin erschien, waren der Kapitän, der Rudergänger und drei weitere Besatzungsmitglieder anwesend sowie Eduardo Diaz.
Diaz war sehr erregt.
„Weshalb können Sie nicht die Route durch das Inselgewirr zwischen Panay und Masbate wählen, Kapitän?“ hörte Martin ihn fragen. „Der Weg ist viel einfacher und kürzer.“
„Das kommt nicht in Frage“, antwortete Kapitän Rizar ruhig. „Wir halten uns an unseren vorgeschriebenen Kurs. Wir durchfahren die Straße zwischen Panay und Tablas, kommen dann an der Westküste von Negros vorbei nach Mindanao. Dort laufen wir Zamboanga an und machen unseren ersten Ausflug an Land.“
„Kapitän Rizar, ich beschwöre Sie.“ Diaz zog Rizar zur Seite. Martin hörte, wie er mit ihm flüsterte. Er konnte die Worte verstehen. „Ich habe Mr. Lagozpo von der Reederei eine hohe Summe gezahlt, damit das Schiff den Kurs zwischen dem Inselgewirr von Panay und Masbate hindurch nimmt. Er hat es mir zugesichert. Er sagte, er
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