096 - Kreuzfahrt des Grauens
die beiden Frauen blieben bei Diaz zurück. Er bedankte sich mürrisch für die Lebensrettung, war aber sonst sehr schweigsam.
Nach wenigen Minuten sagte er, er wolle zu Bett gehen, weil er nach den Aufregungen seine Ruhe brauche.
„Etwas möchte ich noch wissen, Mr. Diaz“, bemerkte Martin.
„Fragen Sie“, antwortete Diaz gereizt.
„Woher kam dieses Fauchen, Knurren, Kreischen, Lachen und Stöhnen, bevor Sie um Hilfe schrien?“
„Davon habe ich nichts gehört“, sagte Diaz. „Das muß von irgendwo anders hergekommen sein.“
Martin war sicher, daß er log.
„Der Kapitän hat nicht weiter nach dem Tathergang gefragt, nachdem Sie ihm bedeutet hatten, der Mordanschlag hätte politische Hintergründe. Ich bin nicht so diskret oder nicht so klug wie der Kapitän. Ich frage Sie auf die Gefahr hin, in ein Wespennest zu stechen, oder in eine Auseinandersetzung hineinzugeraten, deren Art und Umfang ich noch nicht erkennen kann.“
„Da haben Sie recht“, sagte Diaz. „Kümmern Sie sich nicht um Dinge, von denen Sie nichts verstehen, und um Ereignisse, denen Sie nicht gewachsen sind. Was soll das eigentlich sein? Ein Verhör?“
„Nur ein paar Fragen, Mr. Diaz. Schließlich haben mein Freund Yanakawa und ich Ihnen das Leben gerettet, und dabei das unsere riskiert. Weshalb war die Tür von innen verschlossen?“
„Sehr einfach. Plötzlich stand diese Schreckensgestalt in meiner Kabine. Während ich wie gelähmt war, verriegelte sie die Tür und stürzte sich dann auf mich.“
„Erst der Albatros mit dem Totenkopf, Mr. Diaz, dann die Mumie mit den altertümlichen Kleidern. Etwas viel für eine Nacht. Ich kann nicht glauben, daß das ein maskierter Killer aus Fleisch und Blut gewesen sein soll, wie die andern annehmen. Ich habe in die glühenden Augen gesehen, die Kälte gefühlt, die von dem Ungeheuer ausging, und seine Kräfte zu spüren gekommen. Der Handkantenschlag, den Yanakawa dem Schrecklichen versetzte, hätte jeden Menschen getötet, oder zumindest schwer verletzt und bewußtlos zu Boden geschickt. Mein Faustschlag war auch kein sanftes Streicheln.“
„Ich weiß nicht, was Sie wollen. Wenn der Eindringling kein maskierter Killer war, was soll er dann gewesen sein?“
„Keine Ahnung. Aber ich glaube, Sie können uns das ganz genau sagen, Mr. Diaz.“
„Ich kann gar nichts. Ich habe alles gesagt, was ich weiß. Lassen Sie mich jetzt in Ruhe. Dort ist die Tür.“
Harriet Stone hätte inzwischen den Schock überwunden und ihr Mundwerk funktionierte wieder wie eh und je.
„Na, das ist ein schöner Dank für eine Lebensrettung“, fuhr sie Diaz an. „Nächstens belästigen wir Sie nicht mehr und lassen Ihnen die Luft abdrehen, damit Sie sich nicht wegen ein paar Fragen hinterher auf den Schlips getreten fühlen. Schlafen Sie schlecht, Mr. Diaz. Kommt, wir gehen.“
Diaz schloß und verriegelte die Tür hinter Martin, Sue, Yanakawa und Harriet. Sie gingen ein paar Schritte den Gang hinunter. Es war fast drei Uhr morgens. Die Nachtbeleuchtung gab einen gedämpften Schimmer.
„Was war das nur für ein entsetzliches Geschöpf in der Kabine?“ fragte Harriet. „Ich kann nicht glauben, daß dieses Wesen aus Fleisch und Blut gewesen ist.“
„Weiß der Teufel, was es war“, sagte Yanakawa. „Ich kann nur sagen, daß ich diesem Scheusal nicht noch einmal begegnen möchte.“
„Ich auch nicht“, meinte Sue jetzt. „Auf keinen Fall.“
Ihre und Harriets Angst brachte Martin auf eine Idee. Mit todernstem Gesicht sagte er: „Vielleicht geistert dieses Ungeheuer noch auf dem Schiff herum. Stellt euch vor, es dringt in eure Kabinen ein.“
Die Wirkung des Alkohols, die die beiden Männer und die beiden Frauen vor dem grausigen Intermezzo so fröhlich und ausgelassen gemacht hatte, war längst verflogen. Sue drängte sich angsterfüllt an Martin, als sie seine Worte hörte.
„Wenn ich dieser Horrorerscheinung allein begegne, bekomme ich einen Herzschlag“, behauptete Harriet, „Jean, meine Freundin, schläft heute nacht woanders. Wenn ich nur daran denke, allein in der Kabine zu sein…“
Genau in diese Richtung hatte Martins Idee gezielt. Yanakawa war nicht schwer von Begriff.
„Selbstverständlich kannst du in meine Kabine kommen“, sagte er zu der Blondinen. „Für dich nehme ich es auch noch einmal mit dem Horrormonster auf.“
Harriet musterte den kleinen Japaner unschlüssig.
„Ich weiß nicht recht…“
„Hast du nicht gesehen, wie seine Augen gefunkelt
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