096 - Kreuzfahrt des Grauens
Albatros mit riesigen Schwingen. Er umkreiste das Schiff.
Martin sah, daß der Albatros einen Totenkopf hatte. Es war die gleiche gespenstische Erscheinung, die Martin und Sue schon am Vorabend beobachtet hatten. Diaz breitete die Arme aus und rief etwas. Mehrere Worte, die wie eine Aufforderung klangen.
Jetzt hatten auch mehrere Passagiere und Besatzungsmitglieder den Albatros erblickt und waren seines Totenschädels gewahr geworden. Schreckensschreie wurden laut. Martin spürte ein unbehagliches Gefühl in der Magengrube.
Diaz wiederholte seine Aufforderung. Der Albatros stieß einen krächzenden Schrei aus, als gebe er Diaz eine Antwort. Jäh stieg er steil in den Himmel empor. Zugleich erklang ein teuflisches, dämonisches Kichern und Gelächter, das jedem, der es hörte, einen Schauder über den Rücken laufen ließ.
Eine Welt von Bosheit und Gemeinheit schwang darin mit.
Der Albatros wurde zu einem dunklen Punkt am Himmel und verschwand. Diaz drehte sich um. Entschlossenheit und Genugtuung standen in seinem feisten Gesicht. Er sah Martin, sagte aber nichts, sondern preßte nur die Lippen fester zusammen und ging an dem schwarzhaarigen, großen Mann vorbei.
Die drei Männer und die beiden Frauen auf dem Oberdeck, die wie Martin den schwarzen Albatros aus nächster Nähe gesehen hatten, unterhielten sich erregt miteinander.
Martin verließ seinen Standort. Er kam an zwei Matrosen vorbei, zwei Kreolen. Sie waren aschgrau im Gesicht und völlig verstört.
„Dieses Schiff ist verflucht“, sagte der eine. „Und wir alle mit ihm. Es wird ein böses Ende mit uns nehmen, das ist sicher.“
„Das war Schinsang“, stammelte der andere, „der schrecklichste aller Teufel. Gott sei unseren armen Seelen gnädig.“
Die Durchsage des Kapitäns erfolgte um Punkt 19.00 Uhr. Fernando Rizars Stimme hallte aus den Lautsprechern.
„Meine Damen und Herren“, verkündete der Kapitän in Englisch, Spanisch, Tagalog und Magindanao, „ich bin gezwungen, die Reiseroute zu ändern. Auf dem vorgesehenen Kurs ist ein heftiger Taifun zu erwarten, dem ich Sie und das Schiff nicht aussetzen möchte. Statt an der Küste Panays entlang, werden wir den Weg durch das Inselgewirr zwischen Panay und Masbate wählen. Dadurch verlängert sich die Fahrt um einen halben Tag, im übrigen bleibt das Programm unverändert. Ich nehme an, Sie werden für meine Entscheidung Verständnis haben und sie billigen. Ende der Durchsage. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“
Die Durchsage wurde von den Passagieren an Bord erörtert, aber man nahm sie nicht sehr wichtig. Eduardo Diaz hörte die Worte des Kapitäns im Restaurant der Touristenklasse beim Abendessen.
Ein triumphierendes Lächeln glitt über seine Züge. Seine Augen funkelten böse.
Diaz bestellte ein halbes Dutzend Austern beim Steward, um das Ereignis gebührend zu feiern.
„Jetzt läuft alles nach Plan“, murmelte er und rieb sich die Hände.
Nach dem Essen zündete sich Diaz eine dicke Zigarre an. Er hatte kaum die ersten Züge genommen, als seine Tischnachbarn zu protestieren begannen.
„Sie wissen doch, daß das Rauchen während der Essenszeit im Restaurant untersagt ist.“
„Ich rauche, wann und wo es mir paßt“, entgegnete Diaz ärgerlich.
Der Steward wurde gerufen. Er ermahnte Diaz, seine Zigarre ausgehen zu lassen oder an Deck zu rauchen.
Diaz stand wütend auf. Daß er sich in dieser kleinen Sache der Mehrheit beugen mußte, ärgerte ihn. Wer waren diese Würmer, daß sie ihm, Eduardo Diaz, Vorschriften zu machen wagten? Sie wußten nicht, wen sie vor sich hatten. Zittern und beben würden sie noch vor ihm und seiner Macht.
„Idioten“, knurrte Diaz und stürmte hinaus.
Er rauchte draußen seine Zigarre und setzte sich in einen Liegestuhl am mittleren Swimmingpool. Er saß da, bis die Nacht eingebrochen war.
Tiefhängende Wolken verbargen die Sterne.
Der korpulente Mann erhob sich. Er ging zu einem der Niedergänge, der zur Touristenklasse mit ihren drei Etagen führte. Diaz verschwand durch eine Tür, die zu den Lade- und Gepäckräumen führte. Hier war auch der Unheimliche mit dem Mumiengesicht spurlos verschwunden.
Diaz bemerkte nicht, daß ein Steward ihn beobachtete und ihm folgte.
Der Steward wußte, daß dieser Laderaum, der sich ganz hinten am Heck befand, keinen zweiten Ausgang hatte. Der Mann überlegte, was er nun tun sollte.
Allein im Laderaum nach dem Rechten sehen wollte er nicht, denn er war alles andere als ein
Weitere Kostenlose Bücher