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096 - Kreuzfahrt des Grauens

096 - Kreuzfahrt des Grauens

Titel: 096 - Kreuzfahrt des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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mehr als euch auch. Ich habe kein gutes Gefühl. Hier an Bord geht etwas vor, etwas Schlimmes, Unheilvolles. Ich spüre, daß sich hinter der Kulisse des sonnenbeschienenen tropischen Meeres etwas zusammenbraut. Und Onkel Eduardo spielt eine wesentliche Rolle bei den Geschehnissen.“
    Sue sagte das ganz im Ernst. Martin und Yanakawa lachten. Am Swimmingpool in der Sonne schien ihnen selbst die schreckliche Erscheinung mit dem Mumiengesicht und den glühenden Augen nicht mehr so schlimm wie in der Nacht. Bei Tag fiel es schwer, an Spuk und Übernatürliches zu glauben.
     

     
    Als der Nachmittag sich seinem Ende zuneigte, verließen die beiden Männer und die beiden Frauen den Swimmingpool. Yanakawa und Harriet, die sich wie die Turteltauben benommen hatten, suchten die Kabine des Japaners auf.
    Sue ging in ihre Kabine, um sich umzuziehen, und sich etwas für den Abend herzurichten. Martin schlenderte auf dem Schiff umher. Er sah sich das Treiben an Bord an, beobachtete die Passagiere und die Mannschaftsmitglieder.
    Auf dem Promenadendeck kam Martin mit einem alten, weißhaarigen Chinesen ins Gespräch. Der Chinese hatte einen dünnen Bart. Er kleidete sich westlich und sagte, daß er aus Hongkong käme. Ein ständiges Lächeln machte sein Gesicht zu einer Maske von Freundlichkeit und Gleichmut.
    Der weißhaarige Asiate strahlte eine Gelassenheit aus, die Martin beeindruckte. Er wirkte in sich selbst ruhend, wie ein fester Pol in dem bunten, turbulenten Treiben an Bord.
    Nachdem sie über die Seereise, über die Philippinen und so mancherlei gesprochen hatten, stellte Martin eine Frage, die ihn beschäftigte.
    „Wissen Sie etwas über Schinsang? Wer ist das, ein Dämon oder ein Teufel?“
    Der Chinese zeigte äußerlich keine Überraschung über diese Frage.
    „Schinsang ist der oberste Teufel der chinesischen Mythologie“, erläuterte er. „Der Herr und Ursprung alles Bösen. Er ist der König der finsteren Mächte und beherrscht die Teufel und Dämonen der Unterwelt.“
    „Wie wird Schinsang gewöhnlich dargestellt? Vielleicht auch als Vogel? Und welche Art von Mythen und Erzählungen gibt es über ihn?“
    „Schinsang wird als siebenköpfiger Greif und als schwarzer Albatros mit einem Totenkopf dargestellt. Doch weshalb interessiert Sie das?“
    „Ich stieß in einem Buch auf diese Figur und möchte gern mehr darüber wissen.“
    Als Martin hörte, daß Schinsang auch als Albatros dargestellt wurde, durchfuhr es ihn wie ein Schock.
    „Über Schinsang sind viele Erzählungen im Umlauf“, fuhr der weißhaarige Chinese fort. „Ihr Inhalt ist immer der gleiche in vielen Variationen: Ein Mensch schließt einen Pakt mit Schinsang, um etwas zu erhalten oder zu erreichen, und er wird vom Teufel geprellt und fällt diesem anheim. Wenn man der Sage Glauben schenken soll, haben schon viele versucht, den Teufel zu überlisten, aber keinem ist es gelungen. Daher rührt auch die Redensart, daß keiner so gerissen wie der Teufel ist.“
    „Teufel, Teufel“, murmelte Martin.
    Er unterhielt sich noch eine Weile mit dem alten Chinesen, der so weise und gütig wirkte, so abgeklärt. Einer Frage nach seinen Geschäften wich der Chinese geschickt aus. Was Martin nicht wußte und auch nie erfahren sollte, war, daß er mit dem größten Rauschgifthändler der Kronkolonie Hongkong gesprochen hatte.
    Durch die Hände des Alten lief der größte Teil des Rohopiums, das in Hongkong umgeschlagen wurde. Der weißhaarige Chinese hatte in Bezug auf Opium völlig andere Ansichten als ein Europäer. In einer Tradition aufgewachsen und verwurzelt, die der Opiumpfeife seit Jahrtausenden ihren Platz einräumte, kam der alte Chinese sich ebenso wenig schuldig vor, wie ein deutscher Weingroßhändler oder Likörfabrikant.
    Martin durchstöberte das Schiff. Es machte ihm Spaß, Winkel aufzuspüren, in die ein normaler Passagier nicht kam. Das oberste Deck über der Touristenklasse war um diese Zeit fast menschenleer. Die Marcos III näherte sich der Meeresstraße zwischen Tablas und Panay auf dem Kurs, von dem Kapitän Rizar nicht hatte abweichen wollen.
    Martin sah Eduardo Diaz in der hintersten Ecke des Decks an der Reling stehen. Der untersetzte, dickliche Magier sah in die Sonne, die nur noch wenige Handbreit über der Wasseroberfläche stand.
    Als Martin näherkam, hörte er Diaz Beschwörungen murmeln in jener Sprache, die er nicht verstand.
    Plötzlich stieß ein schwarzer Schatten aus der Sonne. Er kam näher und wurde zu einem

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