096 - Kreuzfahrt des Grauens
unberührt bleiben vom Toben des Sturms?“ fragte der Zweite Offizier.
Wieder zuckten Blitze auf. Grell wurden die Gesichter der Männer an Bord der Galeone beleuchtet.
„Mein Gott, das sind Tote!“ rief der Mann, der am Radarschirm gesessen hatte.
„Höllische Geschöpfe aus der Unterwelt!“ fügte der Dritte Offizier hinzu.
Die Gesichter der Gestalten an Bord des Seglers waren mumifiziert, schwärzliche, verdorrte Schreckensgrimassen. Es war ein Bild des Grauens.
Der Rudergänger war so fassungslos, daß er für Momente nicht aufpaßte. Die Marcos III geriet etwas außer Kurs, und ein schwerer Brecher traf sie schräg. Die Erschütterung ging durch das ganze Schiff. Ein Rettungsboot und ein paar Aufbauten wurden zerschlagen.
„Halten Sie den Kurs, Gorön!“ schrie der Kapitän.
Er half dem Rudergänger, das Schiff wieder in die richtige Lage zu bringen.
„Achten Sie nur auf den Kurs, auf nichts sonst, klar?“
„Ave, aye, Kapitän.“
Der Schwarzgekleidete auf der Brücke der Galeone zog den federgeschmückten Hut und schwenkte ihn, als grüße er jemand an Bord der Marcos III.
„Der Teufel!“ ächzte der Dritte Offizier. „Das ist der Teufel.“
„Nein“, sagte der Zweite. „Das ist Henri DeVries, der verfluchte Korsar, der bis in alle Ewigkeit für seine Freveltaten büßen muß. Ich habe schon oft gehört, daß er in diesen tropischen Meeren kreuzt, aber ich habe es nie glauben wollen.“
Der Mann, der den Radarschirm beobachtet hatte, murmelte: „Jedes Schiff, das den verfluchten DeVries sieht, ist dem Untergang geweiht. Gott sei unseren Seelen gnädig.“
„Ach was“, rief der Kapitän. „Sind wir denn alte Weiber? Weiß der Teufel, was das da drüben ist, aber um die Marcos III auf den Grund zu schicken, muß ein stärkerer Sturm kommen.“
„Sie werden sehen, Kapitän. Sie werden sehen.“
Andere noch bemerkten die neben der Marcos III herjagende Galeone. Walter Martin starrte sprachlos durch das Bullauge. Er erkannte die schreckliche, schwarzgekleidete Mumie drüben an Bord. Kein Zweifel, das war die gleiche Erscheinung, die in der Kabine von Eduardo Diaz versucht hatte, diesen zu erwürgen.
Auch Diaz, der Magier, beobachtete die Galeone. Er lachte wild. „Bald ist die Zeit gekommen!“ rief er. „Bald ist es soweit! Bald!“
Es war, als blickten die glühenden Augen des Schwarzgekleideten ihn direkt an. Vergessen waren Seekrankheit und Schwindel.
Die Galeone gewann einen Vorsprung vor der Marcos III. Als etwa zwanzig Meter die beiden Schiffe trennten, vollführte die Galeone plötzlich ein Manöver und stieß von der Backbordseite her quer in die Fahrtrichtung der Marcos III. Der Zusammenstoß war unvermeidlich.
„Wir rammen sie!“ schrien der Zweite und der Dritte Offizier.
Ridderboom, der Trunkenbold, der die Verbindung zum Maschinenraum aufrechterhalten mußte, war es, der die Nerven behielt.
„Maschinen volle Kraft voraus!“ rief er in die Sprechanlage.
Die Antwort kam sofort.
„Volle Kraft. Verstanden. Aye aye.“
Das Maschinengeräusch wurde lauter. Die Marcos III schob sich an die Galeone heran.
Über den Ausgang des Zusammenstoßes hätten unter normalen Umständen keine Zweifel bestehen können. Doch dies waren keine normalen Umstände. Nur einem Geisterschiff war es möglich, wie die Galeone quer zu den haushohen Brechern zu stehen, ohne beschädigt zu werden.
Immer näher schob sich der Bug der Marcos III an die Galeone heran. Noch zehn Meter trennten die beiden Schiffe, noch fünf. Der Bug des Passagierschiffes berührte die Bordwand der Galeone, und im gleichen Augenblick verschwand die Galeone mitsamt Besatzung spurlos.
Nur noch haushohe Wellen waren da, Gischt und Regen, zuckende Blitze und heulender Wind. Die Männer auf der Kommandobrücke, schon auf den Zusammenstoß gefaßt, sahen sich fassungslos an.
„Verdammt, verdammt“, sagte der Kapitän. „Das geht nicht mit rechten Dingen zu.“
Auf dem Radarschirm war keine Spur eines anderen Schiffes mehr zu erkennen.
Der Kapitän wandte sich an Inspektor Dolezal.
„Seit diese Kreuzfahrt begann, geschehen unheimliche Dinge, Inspektor. Jetzt haben Sie selber einen Spuk gesehen, mit eigenen Augen. Auch ich wollte nicht glauben, was ich über den schwarzen Albatros und die schwarzgekleidete Mumie in Diaz’ Kabine hörte, doch jetzt halte ich alles für möglich. Ich wünschte nur, wir wären heil und gesund im Hafen von Manila.“
„Und ich wünschte, ich säße in Cebu hinter
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