0960 - Aibons böse Diener
diesem Augenblick mußte es geschehen sein, denn kaum hatte er mit seiner Hand den Türgriff berührt, da hatte sich die Kraft gezeigt.
Sie war wie ein Blitzstrahl aus dem Boden in die Höhe gedrungen und hatte den Audi umklammert. Der Wagen war von einem grünen, zuckenden Leuchten umgeben. Es sah aus, als hätten sich kleine Blitze vereinigt und einen Kreis gebildet, der den Wagen und auch den Menschen umfaßte, ohne daß sich beide dagegen wehren konnten.
Ein anderer Geruch war ebenfalls entstanden. Ich konnte ihn wahrnehmen, denn er wurde mir entgegengeweht, und ich kam mir vor wie in einem Blumenladen, der angefüllt ist vom Duft verschiedener Pflanzen, die allerdings schon dabei waren, in den Zustand der Fäulnis überzugehen.
Das grüne Licht irritierte mich nicht nur, es machte mich auch schwach.
Ich hatte Suko natürlich helfen wollen, aber es war jemand da, der mich zurückhielt. In den folgenden Sekunden konnte ich mich nicht bewegen, sondern nur schauen.
Was ich sah, war grauenhaft.
Der Wagen wurde aus dieser Welt herausgeholt. Seine Umrisse lösten sich auf, sein Inneres verschwand, und Suko, der ebenfalls nicht fliehen konnte, erlitt das gleiche Schicksal.
Er mußte sich wie jemand fühlen, der an ihm zerrte, ihn auch weiterbrachte, aber dabei nicht in unserer normalen Dimension blieb.
Das grüne Licht, auch die Kraft Aibons genannt, war einfach zu stark.
Sie holte ihn in ihre Welt.
Suko und der Leihwagen wurden in das für mich Unsichtbare hineingezerrt und verschwanden im sogenannten Paradies der Druiden.
Die Stelle, wo sich beide aufgehalten hatten, war leer. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie anzustarren und darüber nachzudenken, daß es vor einer Minute noch anders ausgesehen hatte.
Einen Vorteil hatte ich trotzdem. Niemand hielt mich mehr fest. Ich konnte wieder normal gehen und lief dorthin, wo das Unfaßbare passiert war. Mein Kreuz lag noch immer außen. Eine Restmagie war nicht zurückgeblieben, denn das Kreuz zeigte nichts an.
Verloren stand ich dort, wo Suko und der Wagen verschwunden waren.
Da war nichts mehr zu sehen oder zu spüren. Aibon hatte sich wieder zurückgezogen.
In meiner Brust staute sich die Wut und die Hilflosigkeit. Ich hätte am liebsten meinen Zorn hinausgeschrien, aber ich beherrschte mich, und so drang nur ein leises Stöhnen über meine Lippen. Waren wir selbst an unserem Schicksal schuld? Hatten wir die Kraft des Landes Aibon unterschätzt?
Ja und nein. Wie oft schon waren wir gegen den mächtigen Druiden Guywano angetreten. Daß er hinter allem steckte, stand für mich fest.
Lange Zeit war er verschollen gewesen und hatte nichts von sich hören lassen. Jetzt hatte sich Aibon wieder gemeldet. Zusammen mit den vier Schatten und dem Verschwinden meines Freundes.
Natürlich fühlte ich mich verloren, als ich auf der Stelle stand, meine Blicke schweifen ließ und sehr bald zugeben mußte, nichts zu sehen und nichts zu finden. Nur für eine gewisse Zeit war die Brücke zwischen den Welten geschlagen worden. Jetzt hatte man sie wieder zurückgezogen und mich allein gelassen.
Ich drehte mich wieder um. Langsam ging ich zur Hütte zurück. Nur allmählich klärten sich meine Gedanken. Ich schaffte es wieder, so etwas wie eine Logik in die Vorgänge hineinzubringen, und ich konnte mir vorstellen, daß Aibons Kraft uns schwächen wollte. Man hatte Suko nicht grundlos geholt. Er war der erste gewesen. Ich würde möglicherweise folgen, aber das lag nicht in meiner Hand.
Vor der Hüttentür blieb ich stehen. Der Wind wehte kalt über meine verschwitzte Gesichtshaut. Den eigenen Herzschlag hörte ich überlaut.
Links, wo der Wald dicht wuchs, erklang hin und wieder ein leises Rascheln, wenn der Wind die alten Blätter bewegte, die auf dem Boden noch vom letzten Herbst zurückgeblieben waren.
Von unten her hörte ich das Murmeln des Bachs, als wollte er mir eine bestimmte Melodie singen.
Dieser einsame Ort war schon perfekt gewählt. Hier war das Tor zu Aibon mal offen und mal geschlossen, und so hatte es auch die vier Tarling-Brüder erwischt.
Urplötzlich bekam ich Beklemmungen. Es hing mit dem Gedanken an die Tarling-Brüder zusammen, die als Schatten auf diese Welt zurückgekehrt waren. Am Nacken fing die Gänsehaut an, und sie zog sich weiter den Rücken hinab, denn es lag eigentlich auf der Hand, daß auch Suko das gleiche Schicksal drohte.
Zuerst ihm, später mir?
Würden wir unser Leben aushauchen, um es auf der anderen Seite als Schatten
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