Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0961 - Der Fluch des Kobolds

0961 - Der Fluch des Kobolds

Titel: 0961 - Der Fluch des Kobolds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
daran, daß Ihre Söhne nicht mehr das sind, was sie einmal waren?«
    Er wurde ärgerlich. »Was soll das heißen?«
    »Es kann durchaus sein, daß sie in ihrer jetzigen Existenz keine Rücksicht mehr auf ihren Vater nehmen.«
    Gordon Tarling überlegte. Mit dem Knöchel seines linken Mittelfingers rieb er seinen Augendeckel. Seine spätere Antwort klang nicht einsichtig. »Ich glaube nicht, daß meine Söhne ihrem Vater etwas antun werden. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Schauen Sie mich an. Ich bin nicht verschwunden, sondern existiere weiter. Ist das nicht ein Vorteil, Mr. Sinclair?«
    »Das gebe ich zu.«
    »Und deshalb bin ich auch geblieben.« Er wies mit dem Finger auf mich.
    »Das hat schon alles seine Richtigkeit gehabt, glauben Sie mir.« Seine Traurigkeit war verschwunden. Er hatte sich wieder gefangen und schwang die Beine über die Bettkante. »Und jetzt werde ich einen Blick aus dem Fenster werfen.«
    »Tun Sie das.« Ich trat zur Seite, damit er Platz hatte, an mir vorbeizugehen. Je näher er dem kleinen Fenster in der Seitenwand kam, um so langsamer bewegte er sich, wie ein Mensch, der Angst hat, mit der Wahrheit konfrontiert zu werden. Er schaute sich sogar noch um, aber ich sagte nichts.
    Vor dem Fenster blieb er schließlich stehen, schaute hinaus, und ich blickte auf seinen Rücken. Gordon hielt sich an der Fensterbank fest, was auch nötig war, denn er schwankte ganz ordentlich. Er mußte jetzt das gesamte Ausmaß der unheimlichen Veränderung mitbekommen haben, denn gerade aus dieser Höhe war der Ausblick mehr als gut.
    Dann zitterte er. Ich hörte ihn auch schluchzen. Für Gordon Tarling, der aus Beragh stammte, mußte in diesen Augenblicken eine Welt zusammengebrochen sein. Ein Mensch, der sein Dorf von Kindheit her kannte, war nun mit einer Leere konfrontiert, die man so einfach nicht verkraften konnten. Da gab es kein Haus mehr, und sicherlich verband er mit jedem einzelnen Haus auch eine Erinnerung.
    Das alles war innerhalb kürzester Zeit gelöscht worden, damit konnte er nicht zurechtkommen.
    Als er sich schwerfällig und mit weichen Beinen umdrehte, war ich sofort bei ihm. Meine Stütze tat ihm gut, aber er schaute nicht mich an, sondern ins Leere, hielt den Kopf dabei halb gesenkt und schüttelte ihn.
    Ich drückte den Mann aufs Bett. Er strich mit seiner Hand über das grauweiße Haar und ließ den Arm langsam sinken.
    »Es waren meine Söhne«, sagte er schließlich. »Es war mein eigen Fleisch und Blut, das Beragh zu einem verlassenen Ort gemacht hat. Alles ist weg, die Häuser, die Menschen, einfach alles.« Er schnaubte laut. »Ich kann es nicht fassen.«
    »Bitte, Mr. Tarling, Sie müssen sich von dem Gedanken lösen, daß es Ihre Söhne gewesen sind. Damit quälen Sie sich nur selbst. Es waren nicht Ihre Kinder.«
    »Doch!«
    »Nein, es gibt sie nicht mehr, so wie Sie Jack, Hughes, Brian und Otis kennen. Diese vier sind zu Schatten geworden. Sie gerieten in den Kreislauf einer unheimlichen Macht, der es gelang, sie dermaßen zu verändern.«
    »Sie können mich nicht trösten.«
    »Das möchte ich trotzdem. Wehren Sie sich dagegen, daß es Ihre Söhne waren. Behalten Sie sie in Erinnerung, nur das kann ich Ihnen raten. Aber nicht als Schatten, sondern als lebende Personen, wie Sie die vier auch kennen.«
    »Ich kann es nicht mehr«, murmelte er. »Ich habe ihnen viel verziehen. Auch ihre Zeit bei der IRA. Da habe ich sie sogar indirekt unterstützt, indem ich sie nicht verriet. Keiner aus dem Ort hat sie verraten, obwohl sie von den Engländern gesucht wurden. Hier in der Republik hatten sie ihr Versteck. Von hier aus gingen sie dann nach Belfast. Aber das ist vorbei, alles ist vorbei, Mr. Sinclair, damit muß ich mich abfinden.« Er deutete auf das Fenster. »Sie haben selbst gesehen, daß es Beragh nicht mehr gibt. Ich bin übriggeblieben, und ich frage mich, was ich hier noch soll.«
    »Ja, Mr. Tarling, die Häuser und Menschen sind verschwunden. Das muß aber nicht heißen, daß es für alle Zeiten geschehen ist. So können Sie das nicht sehen.«
    Er schaute mich an und lächelte. »Ich verstehe nicht, daß Sie in dieser Lage noch scherzen können. Menschen und Häuser sind verschwunden. Wollen sie beide wieder herzaubern?«
    »Nein, das nicht.«
    »Dann finden Sie sich damit ab!«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, Mr. Tarling, ich gehöre zu den Menschen, die so etwas nicht tun. Ich bin nicht grundlos hier erschienen, und ich habe mittlerweile auch mehr

Weitere Kostenlose Bücher