0964 - Blutfehde
Weg machten. Nun standen sie also auf dem großen Parkplatz hinter dem Polizeirevier. Dort hatte der Inspector seinen Dienstwagen abgestellt.
Nicole zog eine Schnute, ließ Seagrove aber gewähren. Abgesehen von der Tatsache, dass es sich um sein Fahrzeug handelte, wusste er natürlich am besten, wo sie hinmussten. Als Ortsfremde wollte sie nicht das Risiko eingehen, sich zu verfahren. Die Zeit drängte, denn schließlich konnte sich stündlich ein neuer Mord ereignen.
Die Französin nahm also schweren Herzens mit dem Beifahrersitz vorlieb, während Zamorra und Shado im Fond des Wagens Platz nahmen.
»Der Chef reißt mir den Kopf ab, wenn das gute Stück auch nur eine Schramme abbekommt«, brummte Seagrove und startete den Wagen.
Unwillkürlich schmunzelte Zamorra. Natürlich, auch Seagrove hatte Vorgesetzte, die er bei Laune halten musste.
Neben ihm meldete sich unvermittelt Shado zu Wort. »Ist es wirklich eine kluge Idee, ohne Voranmeldung bei ihm aufzutauchen?«, fragte er. Der Aborigine war kein Mann großer Worte, aber die Frage schien ihn zu beschäftigen.
Zamorra rieb sich das Kinn. Dieselbe Überlegung hatte er natürlich auch schon angestellt, aber sich letztendlich doch für einen Überraschungsbesuch entschieden. Wer wusste schon, wie LaGrange reagierte, wenn er entsprechend vorgewarnt war.
»Der alte Fuchs wird uns schon nicht den Kopf abreißen«, antwortete der Parapsychologe.
Auf dem Beifahrersitz wandte Nicole den Kopf und warf ihrem Gefährten einen scheelen Blick zu. »Ich sage doch, du hättest damals kurzen Prozess mit ihm machen sollen. Dann müssten wir heute nicht darüber nachgrübeln, was möglicherweise mit unseren Köpfen passiert. Ich wäre jedenfalls dankbar, wenn meiner noch ein Weilchen an Ort und Stelle bleibt.«
Zamorra lächelte. »Ich auch, Chérie. Dein Kopf gefällt mir nämlich ausgesprochen gut dort, wo er gerade ist.«
Er wurde ernst. »Ja, vielleicht hätten wir uns damals gleich näher mit den Werdingos befassen sollen, aber ich bin kein Killer. LaGrange hat mich nicht bedroht. Hätte ich ihn einfach über den Haufen schießen sollen?«
Nicole winkte ab. »Du hast ja recht«, lenkte sie ein. Sie wusste natürlich, dass ein solches Vorgehen nicht im Naturell ihres Partners lag. Sie war sich allerdings nicht sicher, wie sie die Situation gehandhabt hätte, wäre sie damals an Zamorras Stelle gewesen. Nachdenklich schwieg die Französin.
Zamorra nutzte die Gelegenheit, das Gespräch mit Shado fortzusetzen.
»Also, was verschlägt dich her?«, fragte er. »Du wirst kaum ohne Grund aufgekreuzt sein. Du bist ebenfalls wegen der Morde hier, sagtest du?«
Der Aborigine aus dem Volk der Yolngu nickte langsam. »Ich hatte einen beunruhigenden Traum«, erklärte er knapp. »Es wird Krieg geben in Newcastle. Die Warrigal - Dingos, wie Du sie nennst - und ihre Gegner werden sich bis aufs Blut bekämpfen, wenn wir ihnen nicht rechtzeitig Einhalt gebieten.«
»Hat dir das Kanaula gesteckt?«, fragte Zamorra.
Der Regenbogenmann Kanaula war eines der mysteriösen Traumzeitwesen. Es handelte sich gewissermaßen um Shados Mentor und Beschützer. Schon oftmals hatte dieser von Kanaula wertvolle Hinweise und Warnungen erhalten. Bisher hatten sich diese Warnungen immer als berechtigt erwiesen. Es musste also tatsächlich etwas Großes im Busch sein, daran zweifelte Zamorra keinen Augenblick.
Shado antwortete nicht. Zamorra war klug genug, nicht weiter nachzufragen.
»Die Gegner der Warrigal , wie du sie nennst«, wollte der Parapsychologe wissen, »handelt es sich dabei um Werwölfe?«
Wieder nickte Shado wortkarg. Zamorra stöhnte innerlich auf. Hätte er es nicht besser gewusst, so hätte er vermutet, dass es dem Aborigine einen Heidenspaß bereitete, sich die Würmer aus der Nase ziehen zu lassen. Der Parapsychologe versank in Gedanken. Seine Vermutung schien sich zu bestätigen. Wenn tatsächlich Werwölfe hinter der Mordserie steckten, die LaGrange auf diesem Wege am Zeug nicken wollten, dann würde der alte Patriarch wohl nicht zögern, über kurz oder lang entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. In diesem Fall würde sich der Konflikt möglicherweise tatsächlich zu einem verheerenden Krieg auswachsen. Dies galt es, um jeden Preis zu verhindern!
Sie hatten die Innenstadt von Newcastle mittlerweile verlassen. Seagrove fuhr weiter in westlicher Richtung, bis sie den Ort endgültig hinter sich gelassen hatten.
»Der Mann lebt auf ganz schön großem Fuß«, merkte der
Weitere Kostenlose Bücher