0964 - Blutfehde
sie sich um, ließ sich auf alle Viere fallen und hetzte aus dem Büro.
Gillingham sah ihr einen Moment hinterher, dann lehnte er sich gemütlich im Stuhl zurück. Er wusste, Alicia würde alle Angelegenheiten zu seiner Zufriedenheit regeln. Wahrscheinlich sah sie sich schon als zukünftige Herrscherin an seiner Seite.
Der Werwolf lächelte selbstzufrieden. Nur wenige Augenblicke, nachdem seine Assistentin den Raum verlassen hatte, stemmte er sich hoch. Es wurde Zeit, sich um seine Gefangene zu kümmern. Gewiss wartete sie schon sehnsüchtig auf ihn…
***
Aus unergründlichen Augen blickte Shado seinen Entführer an.
»Was versprichst du dir davon, Warrigal ?«, fragte er. Ihm war keine Angst anzusehen, nur Neugier sprach aus seinen dunklen Augen.
Edward LaGrange hatte den Aborigine aus dem Polizeirevier in einen dunklen Keller geschafft. In ganz Newcastle besaß sein Clan konspirative Wohnungen und Häuser. In einem davon befanden sie sich nun.
Der alte Patriarch hatte darauf verzichtet, sein Opfer zu fesseln. Auch Wachtposten befanden sich nicht bei ihnen. Sie waren allein. LaGrange war sich bewusst, dass er jederzeit Verstärkung herbeirufen konnte, sollte die Situation aus dem Ruder laufen. Vorerst verzichtete er jedoch darauf.
Er war neugierig auf den dunkelhäutigen Mann, der es schon am frühen Abend gewagt hatte, ihm offen die Stirn zu bieten.
LaGrange saß in einem ungemütlich aussehenden Korbsessel. Er lehnte sich mit unbewegter Miene zurück.
»Ich will nichts als meine Tochter«, erwiderte er dann. Er machte eine lang andauernde Pause. Der Aborigine schwieg. Er machte keine Anstalten, auch nur die geringste Frage zu stellen. Stattdessen wartete er einfach auf weitere Informationen.
»Dieser ganze Krieg macht mich sehr, sehr müde«, musste LaGrange schließlich zugeben. »Mein Leben lang habe ich gekämpft und versucht, meine Stellung zu behaupten. Und all dies ist nun umsonst. So oft schon wollte man mich stürzen. Immer habe ich mich gegen jede Rebellion verteidigt. Jetzt ist es schon wieder so weit und nun vergreift man sich auch noch an meinem eigenen Fleisch und Blut.«
Zum ersten Mal, seit sie das Polizeirevier verlassen hatten, zeigte Shado eine Gefühlsregung. Seine zerklüfteten Züge verzogen sich zu einem feinen Lächeln.
»Es wird immer so weitergehen«, stellte er mit nüchterner Unbarmherzigkeit fest.
Die Augen das Patriarchen leuchteten rot auf. Wut loderte in seinem Blick auf.
»Denkst du, das weiß ich nicht?«, antwortete er dann gereizt. LaGranges Gestalt sackte in sich zusammen. Mit einem Mal sah sein Gesicht grau und eingefallen aus. »Ich habe schon so lange damit gerechnet, dass man einen neuen Versuch starten wird, mir mein Reich zu entreißen.«
»Ist es denn das, was du wirklich willst?«, fragte Shado ehrlich interessiert. »Herrschen?«
LaGrange blickte den Aborigine ehrlich irritiert an. Ein heiseres Lachen drang aus seiner Kehle. »Ich kann nichts anderes«, erklärte er offen.
Shado schnaubte leise. »Reduzierst du dich so sehr, Warrigal ? Machst du dich so klein?«
LaGrange glaubte, nicht richtig zu hören. Nichtsdestotrotz fand er den Dialog auf seltsame Weise interessant. Er stemmte sich aus dem Korbsessel hoch und baute sich vor dem Aborigine auf.
»Ich bin vor über zweihundert Jahren hierher gekommen«, knurrte er. »Damals wurde ich zu dem gemacht, was ich heute bin. Seit jenem Tag habe ich mich hochgearbeitet, bis zu jenem Punkt, an dem ich mich jetzt befinde. Diesen Platz wird mir niemals jemand streitig machen.«
Shados Miene blieb unergründlich. »Und doch ist jemand gerade dabei«, antwortete er.
LaGrange stieß ein schnaubendes Lachen aus. »Seit vielen, sehr vielen Jahren hat es niemand mehr gewagt, so mit mir zu sprechen«, sagte er. »Du hast großen Mut.«
Der Aborigine verzog keine Miene. Stattdessen musterte er LaGrange eindringlich.
»Du warst nicht immer so«, stellte er dann fest. »Dein ganzes Volk war nicht immer so!«
Nun war es an LaGrange, ein feines Lächeln aufblitzen zu lassen.
»Möchtest du mir nun wieder erzählen, wie verbunden dein Volk und das Meinige einmal waren?«, fragte er. »Ich glaube, du vergleichst meinesgleichen immer noch mit den Wildhunden, die euch durch das Outback folgen, aber wir sind anders. Wir sind zur Hälfte Mensch und das Blut in unseren Adern ist schwarz wie die Nacht!«
Shado ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ihm war nicht anzusehen, ob er Furcht verspürte, obwohl ihm natürlich
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