0965 - Der Killerbaum
nicht verkneifen zu sagen, weil ich mich immer wieder über den Ausdruck Bullen ärgerte.
Wilde hob die Arme und drehte uns die Handflächen zu. »Das ist vorbei und vergessen. Daraus könnt ihr mir keinen Strick mehr drehen. Ich bin ein seriöser Geschäftsmann geworden.« Über die letzte Behauptung mußte er selbst grinsen.
»Darüber könnten wir auch diskutieren«, erwiderte ich, »aber deshalb sind wir nicht gekommen.«
»Weiß ich doch. Kommt mit!« Er mußte uns noch einmal seine Macht über die Mädchen demonstrieren. »Und ihr verhaltet euch ruhig. Bleibt entweder auf der Terrasse hocken oder verzieht euch in den großen Wagen.«
Damit hatte er recht, denn sein Wagen war tatsächlich kleiner als der der Mädchen. Die Tür hatte er nicht geschlossen. So konnte wir Rocco Wildes Reich betreten, das wirklich auf ihn sehr persönlich zugeschnitten war. Mein Geschmack war es jedenfalls nicht. Ich hatte sogar Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken, als ich die Couch mit dem Blümchenmuster sah und die dicken Sessel in einem knalligen Rot. Hinter einem Vorhang, der nicht geschlossen war, stand das breite Bett mit der Decke, die Drucke aufwies, wie man sie als Szenen oder Bilder sonst nur in einem Pornostreifen sah.
Auch sonst war in diesem Wagen viel nacktes Fleisch zu sehen. Da hingen Bilder an den Wänden, deren Motive manchem Betrachter die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte. Einige bekannte Gesichter entdeckten wir ebenfalls darunter. Wir hatten die Mädchen auf der Terrasse sitzen sehen.
Rocco Wilde hatte unsere Blicke bemerkt. Er grinste breit. »Scharf, wie?«
»Die Geschmäcker sind verschieden.«
Er schaute uns schief an, öffnete den Mund, schloß ihn wieder und sagte einen Moment später, als er sich drehte und zu einer Flasche Whisky griff. »Fast hätte ich etwas gesagt, aber ich habe eine gute Kinderstube genossen und laß es lieber bleiben.«
»Muß aber lange her sein«, meinte Suko.
Er kassierte dafür einen Dolchblick aus diesen kalten Fischaugen.
Zusammen mit der Flasche ließ sich Rocco Wilde auf die Couch sinken. Der ziemlich volle Aschenbecher bekam Gesellschaft, als die Flasche neben ihm abgestellt wurde.
»Wollt ihr auch einen Schluck?« Wir lehnten ab.
»Ich brauche einen. Der Tod meiner beiden Tänzerinnen ist mir verdammt nahegegangen.«
Das behauptete einer, der das Gemüt eines Kampfhundes hatte, so zumindest stufte ich ihn ein. Die Tür hatten wir nicht geschlossen. Der Mief im Raum konnte abziehen.
Auf ein Glas verzichtete Wilde. Er ließ den Whisky direkt aus der Öffnung in die Kehle rinnen. »Okay«, sagte er, als er die Flasche wieder auf den Tisch gestellt hatte. »Jetzt ist alles wieder einigermaßen im Lot.«
»Schön«, kommentierte ich knapp. »Dann können wir ja anfangen.«
»Ist das ein Verhör?«
»Nein«, sagte Suko, »aber wir müssen fragen, um den Tod der beiden Frauen aufzuklären.«
Wilde hustete. »Klar, verstehe ich. Diesmal wünsche ich es euch. Und wenn ihr den Killer habt, dann gebt ihn mir, versteht ihr? Ich werde ihn schon zurechtstutzen, daß er in keine Würstchendose mehr hineinpaßt.«
Keiner von uns ging auf seine Selbstjustiz-Absichten ein. Suko fragte statt dessen: »Was wissen Sie?«
»Nichts.«
»Das ist nicht mal viel.« Die Bemerkung konnte er sich nicht verkneifen.
»Ist Ihnen das schon mal passiert, daß Mädchen aus Ihrer Truppe plötzlich verschwinden?«
»Wo denken Sie hin? Nie und nimmer! Die Girls haben es gut bei mir, sehr gut, sogar. Nein, nein, daraus könnt ihr mir keinen Strick drehen.«
»Das haben wir auch nicht vor, Mr. Wilde. Es hätte ja sein können.«
Er schüttelte den Kopf. »Ist es aber nicht.«
Suko fragte weiter. »Die Mädchen haben auch keinerlei Andeutungen darüber gemacht, daß sie den Job eventuell hinwerfen wollten.«
»Überhaupt nicht. Außerdem haben sie Verträge unterschrieben. Die müssen Sie erfüllen. Das verstehen Sie doch. Und wenn sie aussteigen wollen, müssen sie zahlen, und soviel Kohle haben sie nicht.« Er hob die Schultern. »Das sind die Regeln.«
»Ja«, sagte ich, »das glauben wir Ihnen schon. Wo treten Sie denn überall auf?«
Mit der linken Hand winkte er heftig ab. »Nicht in den großen Städten, dort gibt es genug Spaß für die Leute. Aber auf dem Lande, in den kleinen Orten, bin ich mit meiner Truppe der King. In Scharen kommen da die Besucher. Natürlich fast nur Männer, aber deren Weiber wissen genau, daß sie sich bei meinen Mädchen Appetit holen
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