0966 - Der Weg des Jägers
dass er vor dem falschen Haus wartete.
Natürlich, er würde sich mit dem Schwarzblüter nicht anlegen, sondern Steigner alarmieren, der gute vier Kilometer von ihm entfernt vor dem anderen Haus auf der Lauer lag. Dennoch! Wenn es hart auf hart kam oder Steigner nicht rechtzeitig eintraf, würde er eingreifen müssen.
Gegen einen Dämon!
Sein Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken.
Knudsen konzentrierte sich wieder auf das Haus. Hinter einem erleuchteten Fenster standen der Hausherr und seine Frau. Die Gestik und Körperhaltung deutete darauf hin, dass sie sich stritten, auch wenn er kein Wort hörte.
***
»Du hast was?«, fragte Volker Kerth. Er konnte nicht glauben, was Lena ihm gerade gestanden hatte.
»Er hat mich angerufen«, sagte sie unter Tränen. »Er hätte von meinem Problem gehört. Auch wenn die Ärzte etwas anderes behaupten, könnten wir mit seiner Methode durchaus ein drittes Kind bekommen. Er hatte eine so freundliche Stimme. So vertrauenerweckend. So…« Ein Schluchzen ließ ihren Körper erbeben.
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Er hat es mir verboten. Er klang so hypnotisch, ich konnte mich ihm nicht widersetzen. Ich habe solche Angst, Volker!«
Er bemühte sich, die Ruhe zu bewahren. Dass sich die Jungs draußen wieder mal darum stritten, wer das Videospiel benutzen durfte, war dazu nicht sehr förderlich. Hätte er Leon doch nur dieses dämliche Spiel nicht geschenkt! »Was ist passiert?«
»Er tauchte gestern Vormittag hier auf. Du warst in der Arbeit, die Kinder in der Schule. Ich habe nicht mit ihm gerechnet, aber ihn natürlich reingelassen. Er hat mich untersucht. Ich war wie hypnotisiert und habe alles geschehen lassen. Und dann…« Wieder erschütterte sie ein Schluchzen. »Dann sagte er: Noch ist es nicht ganz so weit. Aber der Kleine entwickelt sich gut. Morgen werde ich noch einmal kommen und ihn mir abholen. Er will unser Kind, verstehst du? Es ist die Gegenleistung dafür, dass ich schwanger geworden bin. Was für eine Ironie!«
»Bleib ruhig. Er ist nur ein Spinner.«
»Vielleicht! Aber ein gefährlicher. Er hat gesagt, er reißt mir das Baby aus dem Leib, wenn ich es ihm nicht freiwillig gebe. Aber das will ich nicht! Es ist unser Kind. Unseres! Nicht seines.«
»Warum sagst du es mir erst jetzt?«
»Ich war wie blockiert, wenn ich darüber sprechen wollte. Ich…«
Das Gebrüll im Wohnzimmer wurde immer lauter. Volker schlug mit der flachen Hand auf den Küchentisch. »Herrgott nochmal!«
Er sprang auf, riss die Küchentür auf und rief die Jungs zur Ruhe.
»Wie konntest du nur so etwas tun, ohne mit mir vorher darüber zu sprechen?«, fragte er, als er zurückkehrte.
»Ich war verzweifelt, Volker!«, schluchzte Lena. »Ich wusste mir nicht anders zu helfen!«
»Und die Geschichte kam dir nicht vollkommen irrsinnig vor? Wie konntest du nur so etwas glauben, Lena? Sag es mir!«
»Ich… ich konnte doch nicht ahnen, dass… ich…«
»Er hat dich reingelegt! Warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen?« Ihm war klar, dass er es nicht besser machte, wenn er ständig auf diesem Punkt herumritt. Aber er konnte nicht anders.
»Das wollte ich doch. Wirklich! Aber… aber es ging nicht. Immer, wenn ich es versucht habe, dann… dann… konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
Er lachte humorlos auf. »Aber jetzt geht es wieder, was? Wie ist das möglich?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht hat meine Angst die Sperre gelöst. Vielleicht heißt das auch, dass es… vorbei ist.«
»Oder dass er bald kommt, um seine Gegenleistung einzufordern!«
Es blieb einen Moment still, dann schluchzte Lena Kerth auf und begann zu heulen.
»Ich rufe die Polizei!«, sagte Volker. »Die wird dem Kerl einheizen, wenn er hier auftaucht.«
Da schellte es an der Haustür.
Er zuckte zusammen. Sein Herz schlug ihm bis in den Hals.
Lena drückte sich an die Wand und schaute verstohlen aus dem Fenster. »Das ist er! O mein Gott, das ist er!«
»Schnell! Schaff die Kinder rauf.«
Volker hetzte in den Flur, wo das Telefon stand. Er würde dem Spinner die Polizei auf den Hals hetzen, dann konnte er sehen, was er davon hatte, verzweifelte Frauen zu bedrohen.
Er streckte die Hand gerade nach dem roten Hörer aus, als ein Mann mit schulterlangen schwarzen Haaren und Lederjacke das Haus betrat - obwohl die Tür verschlossen war.
Der Kerl war einfach durch sie hindurchgegangen. In diesem Augenblick wurde Volker Kerth klar, dass es sich wohl doch um keinen
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