0966 - Der Weg des Jägers
Spinner handelte.
***
Knudsen zuckte zusammen, als er den Kerl mit der Lederjacke sah. Zielstrebig ging er zur Haustür der Kerths und presste den Daumen auf den Klingelknopf.
Der Polizist schnappte sich das Funkgerät. »Steigner? Die Kerths bekommen Besuch.«
Der Dämonenjäger antwortete sofort. »Ist es unser Mann?«
»Weiß ich noch…« Das letzte Wort blieb ihm beinahe im Halse stecken, als er sah, wie der Schwarzhaarige durch die Tür trat, als wäre sie nicht vorhanden. »Ja, verdammt«, brüllte er. »Er ist es. Beeilen Sie sich.«
»Bin schon unterwegs.«
Knudsen sprang aus dem Wagen und zog die Dienstwaffe. Was sollte er tun? Reingehen? Warten? Oder…
Wie auf ein geheimes Signal hin rasselten alle Rollläden des Hauses herunter und versperrten die Sicht.
Scheiße! Er hetzte über die Straße, durch den Vorgarten zum Haus - und prallte gegen eine magische Sperre. Es fühlte sich an, als würden ihn fünf Mulis gleichzeitig treten. Er wurde zurückkatapultiert, landete auf dem Rasen und versank in Finsternis.
Er wusste nicht, wie lange er zwischen Bewusstsein und Ohnmacht schwebte, da riss ihn ein Klatschen gegen die Wangen ins Leben zurück.
»Alles klar mit Ihnen?«, fragte Steigner, der sich über ihn gebeugt hatte.
»Geht so. Da ist eine Barriere. Ein Schutzschirm oder so was.«
Steigner nickte und wandte sich ab. Und dann bewies er mir zum ersten Mal, was dieses Armband draufhatte.
Eine flirrende Kugel löste sich daraus und traf auf die Sperre. Für einen Sekundenbruchteil wurde eine Kuppel sichtbar, die sich über das gesamte Haus spannte. Schwarze Blitze flirrten darüber hinweg, dann brach sie zusammen.
Knudsen tastete nach seiner Waffe und rappelte sich auf, doch Steigner schüttelte den Kopf.
»Bleiben Sie hier! Das regle ich!«
***
Gegenwart
»Ich weiß nicht genau, was sich im Haus abgespielt hat. Steigner wollte danach nicht allzu sehr ins Detail gehen. Er fand im Wohnzimmer die grauenhaft zugerichteten Leichen des Ehepaars. Wir waren zu spät gekommen. Als er Schreie aus dem ersten Stock hörte, sprintete er hoch. Dort fand er den Dämon. Das Ungetüm stand vor einem Schrank und versuchte die Söhne der Kerths zu packen. Im letzten Augenblick gelang es ihm dank seines Armbands, die beiden zu retten und die Kreatur zu töten. Leider fingen dabei sowohl die Bettwäsche als auch die Kleidung im Schrank Feuer. Steigner packte die Jungen und rannte aus dem Haus, während sich die Flammen ausbreiteten. Als sie mich erreichten, brannte das Haus bereits lichterloh.«
Der Ex-Kommissar presst die Hände gegen den Mund. Er wirkte um Jahre gealtert.
»Der Rest ist schnell erzählt!«, durchbrach er das Schweigen. »Am liebsten wäre Steigner einfach verschwunden, aber das ging nicht. Nachbarn hatten die Feuerwehr alarmiert, die gerade eintraf. Also gab ich ihn als zufälligen Lebensretter aus. Durch die Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Kerths ermordet worden waren, aber man fand einen dritten Toten in den verkohlten Überresten des Hauses. Ich mauschelte etwas herum, stellte alles so dar, als wäre der Mörder bei seiner letzten Tat durch unvorsichtiges Handeln selber ums Leben gekommen. Es gelang mir sogar, die nachfolgenden Ermittlungen dem Abschluss entgegenzupeitschen.«
Der Kommissar a. D. legte die Hände flach auf den Küchentisch.
»Und all das haben Sie auch Dylan erzählt?«, fragte Nicole.
»Er war ein wenig enttäuscht von der Geschichte. Er hatte gehofft, mehr über das Armband zu erfahren. Damit konnte ich leider nicht dienen. Also verwies ich ihn an Leon.«
Zamorra nickte, als er sich an das erinnerte, was Frank Saal ihnen berichtet hatte. »Der Junge hat Kontakt zu Steigner aufgenommen, nicht wahr?«
»Richtig. Er hatte es wirklich schwer in seiner Jugend. Erst die Obhut des Jugendamts, dann eine Pflegefamilie. Überall erzählte er seine Geschichte, die ihm natürlich niemand glaubte. Und wenn man fragte, was er einmal werden wolle, antwortete er: Dämonenjäger. Sie können sich vorstellen, wie das auf seine Mitschüler wirkte. Sie verspotteten ihn, schubsten ihn herum, machten sich über ihn und sogar den Tod seiner Eltern lustig. Bis er irgendwann die Nerven verlor und zuschlug. Ich glaube, am Schluss wusste er selbst nicht mehr, ob er alles tatsächlich erlebt hatte oder es sich nur einbildete. Wirklich traurig. Auch in der Familie lief es nicht gut. Er verstand sich nicht mit den leiblichen Söhnen der Leute und machte ständig Schwierigkeiten.
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