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0968 - Die Greise von Eden

0968 - Die Greise von Eden

Titel: 0968 - Die Greise von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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- und noch zu erfahren hoffte. Er blieb verhalten. Der nächste Tod schwebte bereits über ihm. Aber vorher kehrte Bayan zurück und überbrachte ihnen das Einverständnis seiner Brüder, sie in das uralte Familiengeheimnis einzuweihen.
    Neles Aufregung stieg. Tief in ihrem Herzen hoffte sie, bei dem, was sie erfahren würde, auch auf Dinge zu stoßen, die Hinweise auf Nikolaus enthielten.
    Sie versuchte sich innerlich gegen das zu wappnen, was nun auf sie einstürzen würde.
    »Ich bin nicht sicher, ob ich wirklich wissen will, was damals geschah«, sagte Paul, während sie Bayan in den Gemeinschaftsraum des Hauses folgten.
    »Ich schon!«
    Obwohl sie es im Brustton der Überzeugung sagte, hoffte sie, dass sie ihren Entschluss nicht bereuen würde.
    Wenig später begannen die Saleh-Brüder abwechselnd zu erzählen, was sich einst in der Nähe der Stadt, bei einer Burg abspielte, von der heute nur noch Ruinen existierten…
    5.
    Vergangenheit, 1273
    Die karge Landschaft lag wie hingegossen im fahlen Mondenschein. Es regte sich weder Blatt noch Halm, ganz gleich, wohin Karim seinen Blick lenkte. Und ungewohnt still war auch die Burg, auf deren Zinnen der Mameluk patrouillierte. Die eisige Nacht schien alles und jeden zu lähmen, auch ihn. Trotz dicker Kleidung fror Karim und wünschte sich unter die Felldecke zu Asma, seiner Favoritin seit vielen Wochen. Sie arbeitete in der Burgküche, und wann immer es Karims Zeit erlaubte, stahl er sich zu ihr.
    Er seufzte. Sein Blick fing unerwartet eine Bewegung jenseits der trutzigen Mauern auf. Dazu ertönte gespenstisches Geheul. Zuerst glaubte er, einer Täuschung zum Opfer gefallen zu sein. Aber die Gestalt, die nur bei flüchtiger Betrachtung menschlich wirkte, torkelte rasch näher.
    Wenig später wurde offensichtlich, was Karim an der Kreatur störte.
    Sie hatte Flügel .
    Gewaltige, hinter dem Rücken peitschende Schwingen…
    Die mächtige Burg erhob sich auf einem Felsvorsprung und war von einem Tal umgeben, aus dem der Monströse sich über einen Pfad näherte.
    Karim war so fasziniert von dem Anblick, dass er wertvolle Zeit vergeudete, bevor er den Alarm auslöste. Schließlich aber zerrte er das Horn hinter dem Gürtel hervor und blies mit aller Kraft hinein. Der dumpfe Ton schien sich in jede Ritze der Burg zu fressen, und es dauerte nicht lange, bis sich mehrere Soldaten um den Wächter scharten. Auch Tarik, unter dessen Befehl Karim stand, war darunter. Er trug eine Fackel bei sich, die er schlecht gelaunt hin und her schwenkte und so sein eigenes verdrießliches Gesicht beleuchtete.
    »Warum hast du Alarm ausgelöst?«
    Karim schluckte. In dem Moment, da er es über die Lippen zu bringen versuchte, erschien ihm seine Sichtung mehr als fragwürdig. Er wandte sich in die Richtung, aus der er eben noch den Geflügelten hatte wanken sehen - aber da war nichts mehr.
    »Ich -«
    »Werden wir angegriffen?«
    Tariks Frage wäre unter normalen Umständen leicht zu beantworten gewesen - ein schlichtes Ja oder Nein hätte genügt. Fürs Erste jedenfalls.
    Aber so einfach war es nicht. Karim rang nach Worten.
    »Bist du betrunken?«, herrschte Tarik den Wächter an, während seine anderen Männer nah an die steinerne Brüstung traten und in die fahle Nacht hinaus spähten.
    Während Karim vehement den Kopf schüttelte, wandte sich Tarik an seine Soldaten. »Könnt ihr etwas Verdächtiges erkennen?«
    Sie verneinten der Reihe nach.
    »Das hast du nicht ungestraft -«, setzte Tarik zu einer geharnischten Rede an.
    Doch er wurde von Schreien gestoppt, die aus dem Inneren der Burg kamen. Schreie, die nicht danach klangen, als würde sich Bewohner lediglich über die Störung ihres Schlafs beschweren. Die Laute wurden in größter Not ausgestoßen und erstickten nach einer Weile in einem Röcheln, das endgültig das Schlimmste vermuten ließ.
    Tarik schickte seine Männer zu den Treppen, wandte sich selbst aber noch einmal an Karim, bevor er ihnen folgte: »Was hast du gesehen ?«, fragte er so eindringlich, als hinge davon nicht nur sein, sondern das Leben aller in Al Karak ab.
    »Einen Mann«, krächzte Karim.
    »Einen einzelnen Kerl?« Tarik schob seine dichten schwarzen Brauen höher in die Stirn.
    Karim nickte. »Er war… nackt.«
    » Nackt? «
    »Und er hatte…«
    » Was? « Tariks Faust schloss sich um den Kragen von Karims Jacke und zog ihn so nah an sich heran, dass der Wächter den Atem seines Vorgesetzten im Gesicht spürte.
    »Flügel«, quälte sich das Wort über

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