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0968 - Die Greise von Eden

0968 - Die Greise von Eden

Titel: 0968 - Die Greise von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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als vielmehr Willensstärke. Er versuchte, sich vom Bann der feurigen Augen zu befreien. In seiner Not betete er zu ta'ala dem Allmächtigen, und während er sich auf die Verse konzentrierte, entglitt er der Fessel, die sich um ihn gelegt hatte. Mit einem Aufschrei sprang Karim von dem Geflügelten weg. Zu seiner Erleichterung gelang es ihm, etwas Distanz zwischen sich und die gefährliche Gestalt zu bringen. Auch seine Mitstreiter waren weiter und weiter zurückgewichen. Sie hielten immer noch ihre Waffen umklammert, aber ihre Mienen verrieten den Vertrauensverlust in die eigene Wehrhaftigkeit. Tariks Sterben hatte ihnen endgültig klar gemacht, dass sie es mit einem Gegner zu tun hatten, wie er ihnen noch niemals zuvor begegnet war. Aber woher kam dieses Ungetüm - und was wollte es hier?
    Töten , beantwortete sich Karim einen Teil seiner Frage selbst. Es will… töten. Uns alle. Jeden, der es angreift. Und vielleicht selbst die, die es nicht attackierten… Etwas Dämonisches ging von der Kreatur aus, und Karim zweifelte kaum noch daran, es mit einer leibhaftigen Ausgeburt des Bösen zu tun zu haben.
    Von einer Außentreppe wurde eine Fackel nach dem Geflügelten geworfen.
    Karim wurde von der Aktion ebenso überrascht, wie der Monströse; sie zeugte von einer Planlosigkeit, die die Hilflosigkeit entlarvte, die sich aller bemächtigt hatte, die sich mit dem nächtlichen Eindringling konfrontiert sahen.
    Auch die Fackel verfehlte ihr Ziel - obwohl sie zunächst genau zu treffen schien. Doch kurz vor dem Geflügelten lenkte etwas den Flug der sich in der Luft überschlagenden Flamme ebenso ab, wie es zuvor mit Tariks Säbel geschehen war. Sie landete abseits am Boden, wo schon andere Fackeln lagen, die den Händen Gefallener entglitten waren. Das wabernde Licht, das sie in die Dunkelheit streuten, schien sich auf der Haut des Wesens zu sammeln, dessen Flügel ebenso nackt waren wie die Kreatur insgesamt. Keine einzige Feder zierte die Schwingen. Stattdessen durchliefen dicke Muskelstränge das ledrige Geflecht.
    Karim fühlte sich plötzlich weniger an ein Mischwesen aus Mensch und Vogel erinnert als vielmehr eine Verschmelzung von Mensch und Echse . Und noch etwas wurde von Augenblick zu Augenblick unübersehbarer: Das Ungeheuer sah bei aller demonstrierten Stärke aus, als könne es sich kaum noch auf den Beinen halten.
    Stärke und Schwäche schienen in ihm miteinander zu streiten, und die Geschwüre, die Karim jetzt entdeckte, wo sein Blick gezielt über die Körperoberfläche der Kreatur tastete, schienen den kritischen Zustand des Monstrums zu belegen.
    Es wankte unmerklich. Und hatte es nicht auch schon gewankt, als Karim es das erste Mal im Mondenschein zu Gesicht bekam?
    Er zog einen Hauch von Zuversicht aus der offenkundigen Misere des Geflügelten. Der in diesem Moment das kühle, ebenmäßige Gesicht zu einer Grimasse verzog. Und dann quollen ihm Töne wie materiell gewordene Qual aus dem sinnlich vollen Mund. Karim fühlte sich sofort an die Laute erinnert, mit denen sich der Monströse der Burg genähert hatte. Hatte er nicht da schon ein Wimmern vernommen, als ginge es der Kreatur nicht gut?
    Später wusste Karim nicht mehr zu sagen, ob es Mut war, der ihn über sich selbst hinaus wachsen und seine Furcht besiegen ließ - oder ob purer Instinkt die Herrschaft über seinen Körper errang. Fakt war, dass er sich herumwarf und zu rennen begann. Dazu schrie und gestikulierte er wild. »Hierher! Mir nach! Du willst mich? Dann musst du mich erst kriegen!«
    Er wusste, dass die anderen ihn für wahnsinnig halten mussten. Er teilte ihre Meinung. Jeder, der eine Bedrohung wie diese hier gezielt auf sich aufmerksam machte und provozierte, musste den Verstand verloren haben! Aber gleichzeitig war da ein vager Plan, vage Hoffnung, die auf seiner Beobachtung von vorhin basierte. Das Gewicht des Ungetüms… es musste ungeheuerlich sein, denn Karim hatte seinen Weg durch den Hof anhand der tiefen Fußstapfen zurückverfolgen können, die der Geflügelte bei seinem Vorstoß hinterlassen hatte. Demnach wog er mehr als zehn Ochsen.
    Unmöglich?
    Ja, bei ta'ala , es hätte unmöglich sein sollen - aber der lebendig gewordene Albtraum trotzte jeder Wahrscheinlichkeit.
    Er existierte! Und er meuchelte skrupellos jeden, der sich anmaßte, ihm die Stirn bieten zu wollen! Im Rennen blickte Karim über die Schulter. Wie erhofft, stapfte der Geflügelte hinter ihm her. Er hatte den Köder geschluckt.
    Karim versuchte nicht

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