0968 - Die Greise von Eden
es eine Tote gegeben - und ein dem Wahnsinn verfallenen zweites Opfer.
»Es ist zurückgekehrt«, formulierte Nele laut, was ihr durch den Kopf ging, »und handelte offenbar ohne Zögern. Wahrscheinlich strahlen eure magischen Hände für dieses Geschöpf wie Leuchtfeuer. Es musste nicht lange suchen, es wusste sofort, wohin es sich zu wenden hatte.«
Bayan nickte düster. »So sehe ich es auch.«
»Und du weißt auch, was es von euch will. Ich meine - es liegt auf der Hand , oder?«
Seine Kiefermuskeln mahlten. »Ja«, sagte er. »Aber wir haben einen Schwur geleistet. Den wir nicht brechen können. Nicht einmal um den Preis…« Er verstummte. Die Blicke der Brüder trafen sich. Ihre Bestürzung und Hilflosigkeit war beinahe greifbar.
»Es hat eure Kinder. Es hat eure Kinder und verwendet sie als Pfand, um das zurück zu erhalten, was ihm einmal gehörte! Seine Macht und Stärke ist überwältigend - aber aus einem bislang unbekannten Grund wagt es sich an die erwachsenen Salehs - zumindest an die mit den vererbten Feuerhänden - nicht heran. Deshalb hat es sich die schwächsten Glieder eurer Familie ausgesucht. Sie scheinen noch keine Gegenwehr leisten zu können - oder aber sie haben gerade wegen dem, was in ihnen schlummert, eine Bedeutung für den Geflügelten. Wie auch immer, er will das Schwert! Ihr wusstet es die ganze Zeit!«
Obwohl Bayan schwieg, wusste Nele, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
»Ihr müsst es ihm geben! Eure Kinder sind mehr wert als jedes Ding !«
Endlich legte Bayan sein Schweigen ab. »Du verstehst die Tragweite nicht«, sagte er. »Dieses Wesen ist ohne das Schwert schon eine kaum zu besiegende Gefahr. Aber mit ihm wird es von nichts und niemandem mehr aufzuhalten sein!«
Nele schluckte. Weil sie wusste, dass er recht hatte.
Das Dilemma, in dem die Salehs steckten, schien unlösbar.
Obwohl Paul Hogarth dem jüngsten Dialog nur anhand von Neles Erwiderungen hatte folgen können, sagte er, was auch ihr in dem Moment durch den Kopf ging: »Wir müssen Zamorra verständigen. Wenn einer helfen kann, dann er!«
Aber obwohl sie sich in dieser Bewertung einig waren, mussten sie feststellen, dass sie auf den Parapsychologen nicht bauen konnten.
Sämtliche Versuche, mit dem Château in Verbindung zu treten, scheiterten.
»Mein Handy! Es funktioniert nicht! Shit!« Hogarth probierte es immer wieder, aber das Resultat blieb das gleiche.
Aber nicht nur sein Mobiltelefon war betroffen, sondern auch die Handys der Salehs. Selbst der Festnetzanschluss streikte.
»Das kann kein Zufall sein«, sagte Nele. »Wir müssen es in der Stadt versuchen.«
Nachdem Bayan sich hatte erklären lassen, wer der Mann war, auf den sie ihre Hoffnung setzten, bot er an: »Ich begleite euch. Ich kenne die Einheimischen besser als ihr. Wir wenden uns am besten an das Hotel eines Freundes. Es ist ganz in der Nähe von Wafas Haus.«
Er besprach sich kurz mit seiner Familie.
Dann fuhr Bayan Saleh mit ihnen in die Stadt, in der das Chaos ausgebrochen war.
***
Nele begleitete Bayan ins Innere des Hotelkomplexes. Sie waren in Bayans Van zehn Minuten durch verwinkelte Gassen gefahren. Alle Versuch des Jordaniers, unterwegs einen Radiosender zu finden, waren gescheitert. Am Ende hatte er entnervt mit der flachen Hand gegen das Display geschlagen und sich im Sitz zurückgelehnt.
»Schönes Auto, schlechtes Equipment«, hatte Nele kommentiert.
Es war der Versuch gewesen, die angespannte Stimmung zu entkrampfen. Aber Bayan hatte ihr nur einen verärgerten Blick zugeworfen.
Jetzt stiefelte er zum Tresen, wo Bedienstete des Hotels hektisch beschäftigt waren. Bayan begrüßte sie namentlich. Als er sich nach dem Grund der Aufregung erkundigte, bekam er nur mehrstimmiges bitteres Lachen zu hören - und die Frage: »Lebst du hinter dem Mond? Internet ist ausgefallen, ebenso Radio, Fernsehen und Telefon! Wir sind von der Außenwelt abgeschnitten. Die Gäste reklamieren ständig, dass sie wichtige Verabredungen entweder nicht treffen oder nicht einhalten können! Später, Freund, was immer du willst, später !«
»Es ist wichtig. Ich brauche auch eine Verbindung. Ins Ausland. Mein Handy -«
»- funktioniert nicht«, vollendete der Portier für ihn den Satz. »Davon spreche ich gerade.« Er schüttelte ungeduldig den Kopf. »Das Problem betrifft nicht nur unser Hotel, das wissen wir längst. Die ganze Stadt ist kommunikationstechnisch tot. Keiner weiß, warum. Am Strom liegt's nicht, der ist da. Ta'ala sei
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