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0968 - Die Greise von Eden

0968 - Die Greise von Eden

Titel: 0968 - Die Greise von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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dessen Brüder bereits unterwegs ins nächste Krankenhaus waren, dass sie sich wegen der Zerstörung versammelten - aber dann schnappten sie immer mehr Menschen auf, die über das spurlose Verschwinden ihrer Kinder oder Enkel klagten; die gekommen waren, um in der Moschee für sie zu beten.
    Nach und nach wurde die ganze Tragweite erkennbar.
    »Er rächt sich für sein Scheitern«, sagte Nele. »Dieser Bastard von einem Engel ist nicht geflohen - er ist durch die Stadt und hat sich überall Kinder geholt, egal welchen Geschlechts!«
    Bayan Saleh fiel regelrecht in sich zusammen, resignierte sichtbar.
    »Es liegt auf der Hand, wohin er sie bringt«, sagte Nele.
    Und entschied, dass sie das versuchen musste, was sie schon in den Fingern gejuckt hatte, als Bayan die Truhe seines Vorfahren für sie durchsichtig gemacht und ihnen das brennende Schwert darin gezeigt hatte.
    »Wo willst du hin?«, rief Bayan ihr nach, als sie sich eiligen Schrittes den Ruinen zuwandte.
    Er wollte ihr folgen, doch sie trug ihm auf: »Steig in deinen Wagen und halte dich startbereit. Ich bin gleich zurück!«
    Sie wechselten in die Unsichtbarkeit.
    Er schien zu begreifen, was sie vorhatte. »Das kannst du nicht schaffen!«, rief er ihr nach. »Niemand kann das!«
    Wir werden sehen , dachte Nele. Sie orientierte sich an dem Loch im Schutt, das der Zerfressene gewühlt hatte und gelangte in das Gewölbe mit dem Metallblock, in dem seit Jahrhunderten das brennende Schwert vor jedem Zugriff sicher aufbewahrt lagerte.
    Für einen Moment zögerte Nele, ihre Geisterhände in die Truhe zu senken - dann aber tat sie es.
    Entweder es bringt mich um, entschied sie, oder…
    ***
    »Fahr los!«
    Da war nur die sphärenhafte Stimme, und Bayan schloss nicht aus, dass er lediglich halluzinierte.
    Seine Fäuste, wieder von Leder umhüllt, krampften sich so fest um das Lenkrad, dass er sich einbildete, es knacken zu hören.
    »Mach schon!«
    Mit aufgerissenen Augen blickte er neben sich, konnte aber nicht das Geringste sehen. Er löste eine Hand vom Steuer und wollte damit zum Beifahrersitz greifen, als ihn Neles Stimme barsch ermahnte: »Untersteh dich! Fahr los! Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren. Ich würde zu Fuß gehen, aber dann käme ich garantiert zu spät!«
    Bayan überwand seine Vorbehalte. »Hast du es wirklich bei dir? Aber wie -«
    »Ich weiß nicht, wie. Aber es fügt mir keinen Schaden zu. Ich halte es in meinen beiden Händen. Es ist… unglaublich…«
    ***
    Im ersten Morgenlicht wurde die Prozession sichtbar.
    Nele fühlte sich unwillkürlich an das bedeutungsschwere Jahr 1212 erinnert, als eine ähnliche, aber noch größere Prozession ausgezogen war, die Heilige Stadt Jerusalem zu befreien.
    Hunderte Kinder bewegten sich wie in Trance auf den Punkt zu, der für das normale Auge keine Auffälligkeit auf wies.
    Gerade passierten sie die Stelle, wo die heilige Sichel die Stelle markierte, an der Karim Saleh dereinst das Schwert des bösen Engels gefunden und an sich genommen hatte.
    Nicht mehr lange und sie würden das Tor erreichen, das nach Eden führte.
    Und dann? Würden sie auch als Greise zurückkehren - oder für immer verschollen bleiben?
    Die Salehs hatten ihre Söhne zurückbekommen und doch verloren. Warum hatte der Engel ihnen das angetan, was hatten die Knaben durchleiden müssen?
    Paul war in Wafas Haus geblieben. Er hätte hier nichts ausrichten können, sie nur behindert. Da er die Sprache ihrer Gastgeber nicht beherrschte, würde er sich nicht mit den Heimkehrern unterhalten können. Nele musste darauf hoffen, die Konfrontation mit dem Geflügelten zu überleben und die diesbezüglichen Fragen selbst an die Greise richten zu können.
    »Wünsch mir Glück«, verabschiedete sie sich von Bayan Saleh.
    Für einen winzigen Moment ließ sie das Schwert vor seinen Augen sichtbar werden. Es hätte ihn fast das Augenlicht gekostet, so sehr blendete es ihn.
    Er stöhnte auf.
    Als er wieder klar sehen konnte, war sie fort.
    ***
    Der Zerfressene starrte auf das Tor, das sich verändert hatte.
    Dann blickte er auf den langen Zug, der sich ihm näherte.
    Er selbst vermochte die Pforte immer noch nicht zu durchschreiten, aber er hatte Boten nach drüben geschickt. Drei Knaben mit brennenden Händen, für die der Weg nach Eden offen gewesen war. Als alte verbrauchte Männer waren sie zurückgekehrt… und hatten ihm eine Botschaft von drüben überbracht.
    Einen Auftrag mit der Aussicht, die Grenze doch noch selbst überschreiten zu

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