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0970 - In Asmodis’ Schuld

0970 - In Asmodis’ Schuld

Titel: 0970 - In Asmodis’ Schuld
Autoren: Christian Schwarz
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zerstäuben, der allgegenwärtig in der Luft hing.
    Gebannt starrte der hochgewachsene Weiße auf die Gruppe Haitianer. Vierzehn Männer und sieben Frauen, allesamt Eingeweihte, saßen im Halbkreis um ein übermannshohes, massives Steinkreuz, das mit violetten Blumen geschmückt und dem mächtigsten der Totenherrscher des Voodoo, Baron Samedi, geweiht war. Auf dem Querbalken lag der obere Teil eines menschlichen Totenschädels. Die leeren, schwarzen Augenhöhlen schienen irgendwo ins Nichts zu grinsen. So jedenfalls empfand es der Blanc, wie die Haitianer die Weißen nannten. Auch wenn dieser Gedanke reichlich absurd erschien.
    Die weiß gekleideten Eingeweihten schlugen, während sie ihre Oberkörper leicht hin und her wiegten, Steine gegeneinander. Sie taten es in einem seltsamen, Furcht einflößenden Takt, dessen hypnotischer Wirkung sich nur der Beobachter völlig entziehen konnte. Er spürte allerdings ein leichtes Kribbeln im Nacken und schüttelte sich unwillkürlich. Gleichzeitig fühlte er Erregung in sich aufsteigen, die immer stärker wurde und die er schließlich kaum noch zügeln konnte. Gleich, gleich würde es so weit sein. Hatte er mit Medine endlich aufs richtige Pferd gesetzt? Oder würde ihn auch dieser Malfacteur enttäuschen?
    Unwillkürlich wanderten die Blicke des Weißen zu Medine. Der etwa fünfzigjährige Mann mit dem schwarzen Vollbart und dem brutalen Gesicht kniete hinter dem Steinkreuz auf einem Vèvè. Er hatte es zuvor mit weißer Kreide höchstselbst auf den Boden gemalt. Das magische Siegel zeigte, aus kleinen Vierecken zusammengesetzt, ein stilisiertes, mit Blumen geschmücktes Kreuz auf einem Altar - Baron Samedis Zeichen. Vor Medine stand auf vier Füßchen ein kleiner Altar, auf dem ebenfalls zwei schwarze Kerzen brannten. Dazwischen befand sich eine kleine, flache Schüssel, in der eine rote Flüssigkeit schwappte.
    Menschenblut! Der weiße Beobachter wusste dies mit hundertprozentiger Sicherheit. Schließlich war er es gewesen, der dem Malfacteur das Blut geliefert hatte, auch wenn ihm das noch immer ein Gefühl des Unbehagens bereitete.
    Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin wurde die Schlagfolge bei allen Eingeweihten gleichzeitig schneller und härter. Eine Trommel setzte mit ein. Der Manmanier, der die Trommel schlug, hatte sich bisher in der Finsternis aufgehalten und trat nun aus ihr hervor. Er stellte sich hinter die Eingeweihten, die jetzt mit aller Macht die Steine gegeneinander schlugen. Das bisher leichte Klopfen, mit dem Rhythmus der Trommel dazwischen, steigerte sich zu
    einem derart lauten Getöse, dass es in den Ohren schmerzte. Es musste noch am anderen Ende von Jacmel zu hören sein. Ob die Menschen, die jetzt noch auf den schmiedeeisernen Baikonen ihrer alten Kolonialhäuser saßen und die laue Nachtluft genossen, wohl gerade zusammenzuckten? Dem Blanc war es egal.
    Die Flammen der Feuer flackerten plötzlich und schlugen dann hoch, so, als ob eine starke Bö in sie gefahren wäre. Dabei hatte der Wind nicht um eine Winzigkeit aufgefrischt. Die Eingeweihten wirkten im Widerschein mit ihren zunehmend verzerrten Gesichtern und den schweißüberströmten Körpern jetzt wie Dämonen aus der tiefsten Hölle. Wer würde der Erste sein, der heute von einem Loa geritten wurde? Und welche der Voodoo-Geister würden sich überhaupt die Ehre geben? Egal. Wichtig war nur, dass einer der Herren der Friedhöfe erschien. Am besten Baron Samedi höchstpersönlich.
    Eine junge Frau namens Jeanne, die ein Kopftuch trug und bisher ruhig hinter Medine gestanden hatte, verdrehte die Augen plötzlich so weit, dass nur noch das Weiße, umrahmt von kleinen roten Äderchen, zu sehen war. Dabei zitterte sie wie unter epileptischen Anfällen, fiel nach hinten und wand sich auf dem Boden. Immer wieder drückte sie, auf dem Rücken liegend, in obszöner Weise das Becken in die Höhe, während sie die Beine weit spreizte. »Macht’s mir, los. Warum macht’s mich keiner?«, kreischte sie. »Samedi, der alte Bock, bringt’s ja schon lange nicht mehr. Aber ich brauche das. Und wenn’s mir schon keiner machen will, dann gebt mir wenigstens Rum. Oder ihr werdet es alle bereuen!«
    Der Blanc kniff die Augen zusammen vor Erregung. Der Körper der Besessenen verschwamm plötzlich in einem leichten Flimmern. Für einen Moment lang, war die Figur einer fremden Frau zu sehen. Eine Weiße mit roten Haaren und einem schwarzen Kleid wand sich auf dem Boden. Die Haarpracht wurde zum Teil von einem
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