0971 - Die zerrissene Stadt
Hedgeson stand vor einer Stunde genau dort, wo Sie sich jetzt aufhalten, Mademoiselle Duval«, erklärte William. »Sie sah aus, als wäre sie in ein Unwetter geraten.«
Nicole Duval drehte sich um die eigene Achse, dann schüttelte sie den Kopf.
»Laut Ihrer Aussage soll April klatschnass gewesen sein, William«, gab sie zu bedenken. »Sie sagten auch, dass Sie nicht geputzt haben. Wo ist dann das Wasser hin, das sie auf dem Boden hinterließ?«
»Wenn ich das wüsste… Sie hatte keine Pfütze hinterlassen«, murmelte William. Laut sagte er: »Miss Hedgeson war völlig durchnässt, sie schien dieser Tatsache gleichwohl keine große Bedeutung beizumessen.«
»Vielleicht war sie sich ihrer auch gar nicht bewusst«, vermutete Nicole. Sie kannte William seit vielen Jahren und wusste, dass der Butler ihr nie irgendwelche ausgedachte Geschichten auftischen würde. Sie glaubte ihm, schließlich hatte sie im Lauf der letzten 38 Jahre als Gefährtin eines Dämonenjägers annähernd 1000 Fälle aus dem Reich der Parapsychologie gelöst. »Wie hat sie sonst reagiert?«
William räusperte sich und redete erst weiter, als er Nicoles drängenden Blick bemerkte.
»Ich sage es nicht gern, Mademoiselle Duval, sehen Sie mir die offenen Worte bitte nach, aber Miss Hedgeson machte auf mich einen - entschuldigen Sie bitte -verwirrten Eindruck.«
Nicole hatte einen gewissen Verdacht, aber den wollte sie erst äußern, sobald sie über dieses Phänomen mit Zamorra gesprochen hatte.
»Was hat es mit dieser Zahlenkolonne auf sich, von der Sie mir am Handy erzählten?«, wollte Nicole wissen. »Es wird sich doch wohl nicht um meinen jetzigen Geburtstag handeln?«
Sie wurde am 17. August 1955 geboren und rechnete damit, dass die Zahlen irgendwie mit 17081955 zu tun haben würden.
William zog einen penibel genau gefalteten Zettel aus der Brusttasche seiner Weste und überreichte ihn seiner Chefin. Duval öffnete den Zettel und las laut vor: »Achtundzwanzig Punkt null drei acht sieben fünf minus zweiundsiebzig Punkt fünf fünf acht eins sieben.«
Über ihrer kleinen, energischen Nase stand eine winzige Falte in Form eines V. In ihren braunen Augen schienen goldene Tüpfelchen zu tanzen.
»Ich dachte zuerst an eine Telefonnummer, Mademoiselle, aber die beiden Punkte und das Minuszeichen gehören eindeutig nicht dazu«, sagte William.
»Rechnen wir mit den Zahlen, die wir haben, danach sind wir vermutlich klüger«, hoffte Nicole.
Sie schrieb die Zahlen auf die Rückseite des Zettels:
28.03875 - 72.55817 = -44.51942
»Minus vierundvierzigtausend…«, hauchte sie und schüttelte den Kopf.
Mit Aprils Verjüngung hatte es bestimmt nichts zu tun. Im April 2002 wurde April durch den Fluch des Dämons Airam Lemak bis auf das Alter von 18 Jahren verjüngt. Nach dem Tod des Airam konnte Zamorra die Verjüngung aufhalten. Seitdem alterte April wieder normal.
»Wo liegt der Sinn dieser Rechenaufgabe? Was will April uns damit sagen?«
William hob die Schultern als fühle er sich angesprochen. Doch bevor er antworten konnte, dass er keine Ahnung hatte, sagte Nicole: »Ich glaube, ich habe eine Idee!«
***
Das ehemalige System der Wunderwelten war vor vielen Jahren durch die Selbstaufopferung jener Druidenseelen zerstört worden, die einst den Silbermond in die eigene entartete Sonne steuerten, um das System zu zerstören. Es sollte nicht in die Hände der spinnenköpfigen Meeghs, welche die Entartungsaktion gestartet hatten, und ihrer erbarmungslosen Herren, der MÄCHTIGEN, fallen.
Viele Jahre später hatte der mittlerweile verstorbene Zauberer Myrddhin Emrys, der auf der Erde auch unter dem Namen Merlin Ambrosius bekannt ist, durch eine spektakuläre Aktion dafür gesorgt, dass der Silbermond gerettet wurde. Über Jahre hinweg sparte er Energie auf - und entzog auch seinem Dunklen Bruder Asmodis Energie, allerdings ohne dessen Wissen! -, um eine Zeitveränderung vorzunehmen und den Silbermond im Augenblick des zerstörerischen Kontakts mit der entarteten Sonne aus der Vergangenheit des damaligen Geschehens in die Gegenwart zu retten.
Seitdem existierte der Silbermond in einer der Traumwelten von Julian Peters, stets um fünfzehn Minuten in die Zukunft verschoben.
Sergej lebte auf dem Silbermond. Vor fünfhundert Jahren hatte er der Hexe Baba Yaga nachgespürt und war daraufhin von ihr erbarmungslos gejagt worden. Yaga hatte Sergej erbittert bekämpft und den Kampf gewonnen. Aus ihm war ein psychisches und physisches Wrack
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