0972 - Finsteres Erbe
lassen. Er musste etwas tun - und zwar vor seinem Tod und seiner Wiedergeburt.
Deshalb hatte er die Kreaturen auf die Lichtung bestellt, zu dem Spalt, dem sie entsprungen waren. Ihm war klar, dass nicht alle seiner Einladung Folge leisten würden. Aber er hoffte, dass genug gekommen waren, um seinen Plan durchzuführen. Die restlichen konnte er danach immer noch töten…
Er schaute auf die versammelten Finsteren, auf diese Wesen, die selbst ihn anwiderten, wenn sie sich nicht hinter ihrem Schattenmantel verbargen.
Ihr verweigert mir eure Gefolgschaft? Dafür verweigere ich euch eure Existenz.
Hondrid hob die Hand. Flüchtig nahm er die Falten zur Kenntnis, die Altersflecken, die verkrümmten Finger. Sein Körper verfiel zusehends, wie immer, wenn es aufs Ende zuging. Noch sieben Tage war er an dieses Fleisch gebunden, dann erblickte sein Sohn das Licht Lemurias und mit ihm ein unverbrauchter Behälter für die Erbfolgerseele.
»Ich danke euch, dass ihr gekommen seid!« Trotz des fortgeschrittenen Alters klang seine Stimme kräftig.
Die Finsteren wandten sich ihm zu. Er konnte ihre Zahl nur schwer schätzen, aber zwei- oder dreihundert mochten es sein.
»Rückt bitte etwas näher zusammen, damit mich alle verstehen können.«
Zu Hondrids Überraschung folgten sie seiner Aufforderung. Sehr gut, so musste er seine Erbfolger-Magie nicht so weitflächig anwenden.
»Was willst du von uns?«, erklang aus der Menge eine Stimme. »Sollen wir dir wieder die Treue schwören?«
Der Herrscher von Lemuria lachte jovial auf. »Nein, ganz im Gegenteil.«
Er breitete die Arme aus. Mit seinen geistigen Fingern jedoch griff er tief in sein Innerstes und tastete nach der Erbfolger-Magie. Vorsichtig zunächst, sodass die Finsteren nichts davon merkten. Er staute sie in sich auf, weiter und immer weiter - und ließ sie schließlich in einer gewaltigen Explosion aus sich herausbrechen.
Von einem Augenblick auf den anderen baute sich um die fremdartigen Kreaturen ein Ring mit extrem hohem Luftdruck auf und zog sich blitzschnell zusammen. Die Wesen stürzten durcheinander, versuchten vergeblich, irgendwo Halt zu finden, und bildeten nur Sekunden später ein unentwirrbares Knäuel aus Leibern.
Manche von ihnen schickten ihre Rauchtentakel aus, aber auch diese konnten nicht entkommen.
Und der Erbfolger steigerte den Druck noch!
Von den Finsteren war kein Laut zu vernehmen. Vermutlich brüllten sie wild durcheinander, doch selbst die Schallwellen hatten dem extremen Hochdruck nichts entgegenzusetzen.
Hondrid presste mit all seiner magischen Kraft. Die Kiefer mahlten vor Anstrengung aufeinander, dass die Zähne knirschten. Die gesamte Oberkörpermuskulatur spannte sich bis zum Zerreißen. Der Erbfolger bemerkte es nicht. Er war viel zu konzentriert auf seinen Zauber.
Jedes bisschen Luft quetschte er zwischen den Leibern der Finsteren hervor, und als es keine Luft mehr gab, verschmolzen die Körper miteinander. Knochen brachen und wurden schließlich zermalmt.
Hondrid wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Nach dem Stand der Sonne zu urteilen einige Stunden. Da musste er sich zum ersten Mal eingestehen, dass er zu schwach war. Sein Plan hatte vorgesehen, die starrsinnigen Kreaturen so weit zu verdichten, dass er sie in den Spalt stopfen und ihn somit schließen konnte.
Stattdessen ragte nun ein hoher, tiefschwarzer Felsen vor ihm auf. Egal, wie sehr er sich anstrengte, er vermochte den Druck nicht weiter zu erhöhen.
Mit einem Seufzen ließ er alle Magie los und sank auf die Knie. Sein Atem glich dem Hecheln eines Köters.
Als er wieder halbwegs zu Kräften kam, umrundete er den Steinblock. Von dem Weltenspalt war nichts mehr zu entdecken. Wenigstens ihn hatte er mit den verdichteten Finsteren verkorken können.
Und doch war ihm klar, dass es sich nur um eine Übergangslösung handelte. Irgendwann würde der Druck so weit nachlassen, dass sich die gefangenen Kreaturen daraus zu lösen vermochten. Und dann würde auch der Spalt erneut freiliegen.
Aber fürs Erste sollte es reichen.
Glücklicherweise nahm seine Stärke mit jeder Inkarnation zu. In seinem nächsten oder übernächsten Leben war er dann sicher machtvoll genug, die Versiegelung so sehr zu verstärken, dass sie sich nie wieder lösen könnte.
Und wenn er noch länger warten musste, war es auch egal. Die Tage der Finsteren waren jedenfalls gezählt!
Ein für alle Mal.
***
»Was für ein Irrtum«, hauchte Zamorra. »Denn nur kurz danach reinigte Merlin
Weitere Kostenlose Bücher