0973 - Das verfluchte Volk
dass es den mentalen Schutzwall der Dämonenjäger quasi überrannte. Und da Nicole die stärkere Telepathin von ihnen beiden war, war sie dem unheilvollen Einfluss auch ungleich stärker ausgesetzt.
Doch auch Zamorra spürte, wie seine Kräfte schwanden. Mit zittrigen Händen griff er nach Merlins Stern, schloss die Augen und versuchte, sich auf das Amulett zu konzentrieren. Dann spürte er, wie er Kontakt zu der handtellergroßen Silberscheibe bekam. Offenbar handelte es sich nicht um einen gezielten Angriff, deshalb hatte das magische Kleinod auch nicht reagiert.
Doch das hieß nicht, dass es nutzlos war. Zamorra griff auf das ungeheure Machtpotenzial des Amuletts zu, um seine Mentalsperre zu verstärken und auf die »Wellenlänge« der schwarzmagischen Aura zu justieren.
Zamorra stöhnte erleichtert auf, als das verheerende mentale Dauerfeuer der übermächtigen schwarzmagischen Präsenz unvermittelt abbrach. Sofort kniete er sich nieder zu Nicole, die sich stöhnend am Boden wälzte.
Sanft berührte Zamorra ihre Stirn. Nicoles Mentalsperre war völlig zusammengebrochen. Doch als der Dämonenjäger unterstützt von Merlins Stern ihren Geist berührte, stellte er erleichtert fest, dass sie noch bei Bewusstsein war. Instinktiv erkannte sie, was er von ihr wollte, und griff mit seiner Hilfe ebenfalls auf das Machtpotenzial des Amuletts zu, um ihre Abschirmung zu erneuern.
Wenige Sekunden später war der Spuk vorbei.
»Das war knapp«, murmelte Nicole. Schweißnass stützte sie sich auf ihren Gefährten während sie langsam wieder zu Kräften kam. »Scheint so, als hätte dieser alte Prof nicht übertrieben, was die Gefährlichkeit der Artefakte betrifft.«
»Sieht ganz so aus. Bist du wieder fit?«
Nicole nickte tapfer, obwohl der äußere Augenschein etwas anderes sagte. Die Einrichtung des Raumes, in dem sie sich befanden, als nüchtern zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung gewesen. Sie bestand ausschließlich aus einer großen Schrankwand mit unzähligen Schubfächern, die von außen an die Kühlzellen eines Leichenschauhauses erinnerten.
Systematisch öffneten sie die Schubfächer. Von oben nach unten. Von links nach rechts. Sie waren alle leer.
Bis auf zwei.
»Nicht anfassen«, sagte Zamorra, als sie auf die drei bizarr geformten, goldgrün schimmernden Metallstücke starrten, die in dem Fach vor ihnen lagen. Die Funktion, die das zerbrochene Artefakt möglicherweise einmal gehabt hatte, war nicht einmal zu erahnen. Dafür kamen Zamorra die Dämonenfratzen, mit denen das Metall bedeckt war, nur zu bekannt vor. Sie erinnerten frappierend an die grässlichen Verzierungen der Ruinen am schwarzen See.
»Paula hatte recht«, sagte Zamorra. »Es gibt tatsächlich eine Verbindung zwischen diesem verfluchten Volk und der Sphäre.«
Nicole nickte nachdenklich. »Doch wie könnte die aussehen?«
»Vielleicht gibt uns das darüber Aufschluss.«
Der Parapsychologe deutete auf das Objekt im benachbarten Schubfach. Es war ein kleines, in Leder gebundenes Büchlein, das seinem bemitleidenswerten Zustand nach zu urteilen schon einiges mitgemacht hatte. Man musste nicht gerade Sherlock Holmes sein, um zu erraten, worum es sich handelte.
Das Tagebuch von Friedrich Dörfler.
Rovira hatte für Paula in groben Zügen zusammengefasst, was der windige Abenteurer für die Nachwelt festgehalten hatte. Zamorra überprüfte das dünne Bändchen schnell mit Merlins Stern. Das Amulett reagierte mit unverminderter Heftigkeit auf das zerbrochene Artefakt, aber sobald der Dämonenjäger die Silberscheibe auf das Tagebuch fokussierte, kühlte sie sich ab. Offenbar hatte die bösartige Ausstrahlung der Metallobjekte, die den unmittelbaren Umgang mit ihnen so gefährlich machte, keine Auswirkungen auf unbelebte Objekte. Zamorra nahm das Buch an sich und verstaute es in einer Jacketttasche. Er würde sich später damit beschäftigen.
»Und was tun wir jetzt?«, fragte Nicole. »Packen wir die Dinger einfach ein?«
»Das wäre nicht sehr ratsam. Denk an das, was mit Professor Rovira und seinem Kollegen passiert ist. Aber ich habe eine andere Idee.«
Zamorra schloss die Augen, versenkte sich in seinem Geist und konzentrierte sich erst auf das Amulett und dann auf die seltsamen Metallobjekte. Wie eine Art magischen Scanner nutzte er Merlins Stern , um den zerstörten Kultgegenstand zu untersuchen. Er zuckte zusammen, als die zutiefst bösartige Aura des Artefaktes erneut gegen die Schutzmauern seines Bewusstseins brandete, doch
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