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0976 - Die Leichen der schönen Charlotte

0976 - Die Leichen der schönen Charlotte

Titel: 0976 - Die Leichen der schönen Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wissen.
    Auch in meiner Nähe segelten die Scherben umher. Zum Glück auch vorbei, und es waren nicht so große Stücke, mehr kleine Splitter, die, wenn sie dann irgendwo gegenprallten, noch mehr zersplitterten und oftmals zu funkelndem Staub wurden.
    Etwas erwischte mich am Nacken. Der Stich war zu spüren. Auch sauste einen Scherbe dicht neben meinem Ohr in den Boden, wo sie im Teppich steckenblieb. Sie hatte mein Ohr noch berührt und dort ebenfalls eine kleine Wunde hinterlassen. Das war jedoch harmlos.
    Doreen schrie nicht mehr. Ich hörte auch kein Wimmern. Es war auf einmal so schrecklich still geworden, denn die Explosion der Spiegel war endgültig vorbei.
    Meinen Platz hatte ich nicht verlassen. Nach wie vor lag ich dicht neben dem Bett auf dem Boden und wartete noch etwas ab. Ich hoffte, einen Atemzug zu hören, ein Röcheln vielleicht oder ein leises Stöhnen.
    Ich hörte nichts.
    Höchstens meinen eigenen Atem, aber auch den Schmerz im Nacken und am rechten Ohr. Die Haut im Nacken wurde von einer klebrigen Flüssigkeit bedeckt, die aus der Wunde rann. Eine Spiegelscherbe hatte dort den Schnitt hinterlassen.
    Ich und damit auch mein Wunden waren nicht wichtig. Jetzt zählte einzig und allein Doreen!
    Beim Hochkommen durchsuchte ich den Raum. Vielleicht hatte Lilith noch einen Trumpf in der Hinterhand, den sie nun ausspielen wollte, aber das war nicht der Fall. Es war keine Spiegelscherbe zurückgehalten worden, die mich durchbohren oder köpfen sollte.
    Doreen lag so auf dem Bett, wie sie niedergefallen war. Rücklings. Sie sah schrecklich aus, denn sie war von mehreren großen Scherbenstücken getroffen worden.
    Mir fiel der Vergleich mit einer Hinrichtung ein. Ich schüttelte rasch den Kopf, um diese Metapher loszuwerden.
    In meinem Magen hatte sich eine dicke, unsichtbare Faust gebohrt und für das Gefühl der Übelkeit gesorgt.
    Hinzu kam noch das Wissen, versagt zu haben.
    Es war leicht, in Doreens Gesicht zu schauen. Eine Scherbe steckte wie ein Dreieck in ihrer Wange, sonst war dem Gesicht nicht viel passiert. Der Ausdruck darin zeigte noch das letzte Entsetzen, das sie kurz vor ihrem Tod gespürt hatte, aber auch eine gewisse Anklage, die ich auf mich bezog, weil ich ihr nicht geholfen hatte.
    Dann fiel mir noch etwas auf.
    Es war ihre rechte Hand, auf der die Plakette lag, die sie mir hatte zeigen wollen.
    Ja, sie war noch vorhanden.
    Aber sie war auch durch eine unnatürliche Hitze geschmolzen und hatte sich mit der Haut der Hand vermischt, regelrecht hineingebrannt, als wollte Lilith diese Person auch im Tod nicht loslassen.
    Ich wandte mich ab. Mit einem würgenden Gefühl in der Kehle verließ ich das Zimmer. Unter mir zerknirschten die Scherben.
    Das Telefon stand im Flur. Aber ich ging zuerst in die Küche. Dort öffnete ich die Brandyflasche und nahm aus ihr einen kräftigen Schluck. Auch wenn ich eine Fahne hatte, wenn die Kollegen eintrafen, ich brauchte ihn einfach.
    Schwer atmend blieb ich dicht neben dem Tisch stehen. Die Flüssigkeit brannte in meinem Magen.
    Ich mußte aufstoßen, aber es ging mir in der Folgezeit besser.
    Der Nacken brannte noch. Blut war mir in den Hemdkragen gesickert. Am Ohr hatte sich die Streifwunde bereits wieder geschlossen und eine Kruste gebildet. Erst jetzt dachte ich darüber nach, wieviel Glück ich doch gehabt hatte. Wäre ich nur für eine Sekunde länger stehen geblieben, wäre es für mich vorbeigewesen. Der Gedanke daran ließ noch immer meine Knie zittern, und eben mit diesen zittrigen Knien ging ich zurück in den Flur, wo das Telefon stand.
    Die Nummer meines Freundes Tanner kannte ich auswendig. Der Chief Inspektor sagte kaum etwas, als ich einen Kurzbericht gab. Er meinte nur: »Ist gut, wir kommen.«
    So leise hatte ich seine Stimme nur selten vernommen. Normalerweise gehörte er zu den Menschen, die laut sprachen, hin und wieder auch mal lospolterten, aber sehr schnell wieder die Ruhe zurückfanden.
    Ich hätte jetzt eine Zigarette brauchen können. Selbst trug ich keine bei mir. Auf dem Küchentisch lagen noch Doreens. In der Schachtel zählte ich drei Glimmstengel.
    Ich setzte mich wieder an den Tisch, rauchte und war noch immer dumpf im Kopf. Was so harmlos begonnen hatte, das war zu einem blutigen Drama geworden, in dem ein Mensch sein Leben verloren hatte. Es war wieder das berühmte Wespennest, in das ich hineingestochen hatte. Als hätte Freund Tanner einen Riecher gehabt. Wahrscheinlich war das auch so. Durch unsere Zusammenarbeit war

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