0976 - Flügel des Todes
Berg die Umrisse von Château Montagne erkennen.
***
Endlich geschafft!
Stephane Chéne atmete tief durch. Er ließ den Lappen sinken und fuhr sich mit der freien Hand über die verschwitzte Stirn. Seit einer gefühlten Ewigkeit war er mühsam um das riesige Château herumgekraxelt, um die zuvor vom Butler erneuerten Kreidesymbole wieder zu entfernen. Er hatte ganze Arbeit geleistet. Das mitgebrachte Waschbenzin hatte ihm dabei geholfen, die mysteriösen Zeichen rückstandsfrei zu entfernen. Damit hatte er seine Mission mehr als erfolgreich erfüllt.
Chéne kicherte. Seine seltsame Auftraggeberin hatte allen Grund, zufrieden mit ihm zu sein.
Hastig begann der junge Mann damit, seine Sachen zusammenzupacken. Die geleerten Bierdosen ließ er dem Besitzer des Châteaus als kleines Überraschungspräsent zurück. Chéne grinste. Seine Getränkevorräte waren früher als erwartet zur Neige gegangen. Allerdings hatte er sich ja auch viel länger als erwartet hier oben aufgehalten. Lediglich der Wein war noch übrig und den wollte er unbedingt Janine kredenzen.
Janine!
Wahrscheinlich fragte sie sich schon, wo er blieb. Immerhin war er seit Stunden überfällig.
Chéne erhob sich und blickte sich noch einmal um. Als er feststellte, dass er abgesehen von den geleerten Dosen keine Spuren hinterlassen hatte, schulterte er den Rucksack und machte sich fröhlich pfeifend an den Abstieg.
Doch nun zeigten sich natürlich die Auswirkungen des zuvor genossenen Biers. Stolpernd stellte Chéne fest, dass er ein wenig Schlagseite hatte. Umgehend bewegte er sich vorsichtiger.
Erstmal auf die Straße zurückfinden, dachte er, und dann immer den Lichtern entgegen!
Mit dieser Taktik würde schon nichts schief gehen. Die Straße, die vom Dorf hinauf zum Château führte, war zwar unbeleuchtet, dennoch hatte sich Chéne die grobe Richtung gemerkt. Und tatsächlich, er musste nicht allzu lange herumirren, sondern erreichte schon nach kurzer Zeit den sicheren Asphalt.
Chéne atmete sichtlich auf. Er wusste, jetzt war er auf der sicheren Seite! Nun erst erlaubte er sich einen etwas forscheren Schritt und ging am Straßenrand entlang hinunter in Richtung Dorf.
Da unten geht es ja hoch her, dachte er bei sich, als er noch einen halben Kilometer von seinem Ziel entfernt war. Der Abendwind trug ihm lautes Johlen entgegen. Unwillkürlich runzelte der junge Mann die Stirn. Irgendetwas störte ihn, ohne dass er auf Anhieb einen konkreten Grund dafür hätte benennen können.
Erst, als er sich weiter näherte, dämmerte es ihm.
Was immer dort unten vor sich ging, es klang nicht mehr nach einem heiteren Dorffest. Vielmehr hatte er allmählich den Eindruck, man würde sich dort unten den Schädel einschlagen.
Chéne blieb stehen und schluckte schwer. Er leckte sich über die Lippen.
War den Dörflern möglicherweise der Alkohol zu Kopf gestiegen? War das fröhliche Fest deshalb in eine wilde Prügelei ausgeartet? Er wusste es nicht, aber plötzlich erfüllte ihn eine brennende Sorge um Janine. Wenn sie auch auf dem Fest war, dann steckte sie vielleicht gerade mittendrin im Trubel!
Schlagartig war Chéne wieder völlig nüchtern und setzte sich wieder in Bewegung. Urplötzlich beschlich ihn nämlich das ungute Gefühl, dass er keine Zeit mehr zu verlieren hatte. Eilig folgte er der Straße weiter in Richtung Dorf, bis er plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Von seinem jetzigen Standort aus hatte Chéne einen guten Ausblick auf den kleinen Ort. Und was er dort sah, entsetzte ihn zutiefst.
Die Stände und Buden auf dem zentralen Platz schienen in Schutt und Asche zu liegen. Eine unüberschaubare Menschenmasse befand sich dort und war damit beschäftigt, die aufgebauten Attraktionen systematisch zu Kleinholz zu verarbeiten. Nein, das hier war keine simple Dorfschlägerei. Was er da vor sich sah, erinnerte ihn vielmehr an den unmotivierten Amoklauf einer ganzen Menschenmenge !
Mit einem Mal wurde ihm eiskalt. Hastig verschwand Chéne von der Straße und suchte Deckung hinter einem nahen Baum. Im Schutz der Dunkelheit bewegte er sich näher an das Dorf heran, bis er die Situation genauer überblicken konnte.
Irgendjemand hatte mitten auf dem Festplatz mehrere Kisten abgestellt, die das höchste Interesse der wilden Horde erregten. Jedenfalls stürzten sie sich darauf, als seien sie besessen. Ängstlich, aber auch neugierig beobachtete Chéne das unheimliche Schauspiel.
Es handelte sich offenbar um Weinkisten, wie er feststellte, als
Weitere Kostenlose Bücher