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0978 - In den Ruinen von London

0978 - In den Ruinen von London

Titel: 0978 - In den Ruinen von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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sämtliche Radio- und Fernsehkanäle durchforstet und war auf Sendungen gestoßen, die immer noch in einer Endlosschleife wiederholt wurden, obwohl offenbar niemand mehr da war, der das Programm aktualisierte. Aber die Aufzeichnungen drehten sich samt und sonders um die Katastrophe, die London heimsuchte. Von schrecklichen Mutationen war die Rede. Von Menschen, die mit aggressiven Pflanzensporen in Berührung gekommen waren und als Folge ihr Leben eingebüßt hatten.
    Über einen Laborunfall wurde spekuliert. Aber niemand hatte eine Erklärung für den Baum und die Wand, die London nach allen Seiten abschloss, sich wie eine Käseglocke aus Milchglas über die riesige Stadt gestülpt hatte.
    Carrie und Tom sprachen viel in diesen Tagen. Nicht nur über den Horror außerhalb des Cottages, sondern auch über all die Dinge, die sie schon vorher beschäftigt, geängstigt oder erfreut hatten.
    Tom war fünf Jahre älter als Carrie, aber das machte nichts, weil ihre Gefühle füreinander die von innigen Geschwistern waren. Für Carrie war Tom der große Bruder, den sie nie gehabt, sich aber so oft gewünscht hatte, vor allem, als es ihr ganz dreckig gegangen war.
    Und umgekehrt weckte Carrie in Tom den Beschützerinstinkt.
    Sie schliefen in einem Bett, und Carrie schämte sich fast ein wenig, dass sie bei Tom so glücklich und zufrieden war wie selten zuvor in ihrem Leben.
    Eines Nachts, als Tom nicht schlafen konnte und sich hin und her wälzte, streifte er Carries Rücken. Sie trug ein langes Nachthemd, aber darunter… knisterte es so seltsam, dass er sich aufsetzte und die Kerze auf dem Nachttisch anzündete.
    Zu dieser Zeit gab es auch in den Highgate Woods keinen Strom aus der Steckdose mehr, und das Leben war merklich schwerer geworden, die Vorräte an Lebensmitteln schmolzen dahin.
    Carrie wurde wach. »Was ist?«, fragte sie.
    »Setz dich mal auf.«
    »Warum?«
    Er schüttelte den Kopf. »Tu es einfach.«
    Sie gehorchte.
    »Und jetzt dreh mir den Rücken zu.«
    Obwohl sie nicht zu wissen schien, was er beabsichtigte, tat sie ihm auch diesen Gefallen.
    Er griff nach dem oberen Saum, zog das Nachthemd herunter und starrte atemlos auf das, was sich seinen Blicken bot.
    Sein Entsetzen blieb ihr nicht verborgen.
    »Es ist nur das Blütenblatt, das ich im Garten gefunden habe. Es spricht zu mir. Es hat mir über die erste Zeit hinweggeholfen. Lass es bitte. Nimm es nicht weg. Es tut nichts Böses.«
    Fast noch mehr als das, was Tom sah, entsetzte ihn das, was Carrie sagte.
    Von was für einem »Blatt« redete sie?
    Das, worauf er starrte, war nichts, was er einfach hätte »wegnehmen«
    können - so sehr er sich das auch wünschte.
    ***
    Als Tom ihr sagte, was er sah, schoss ihr ein Schreck durch die Glieder, aber dann dachte sie, dass er sie veralberte.
    »Hör auf! Ich werd’ nicht gern auf den Arm genommen!«
    Dann merkte sie, dass er sich nicht verstellte und das Entsetzen auf seinem Gesicht echt war.
    Im Licht einer Taschenlampe, deren Batterien noch funktionierten, führte er sie ins Bad und half ihr auf einen Stuhl vor den Spiegel. Sie drehte den Kopf, und er zog den Halssaum des Nachthemds am Rücken nach unten.
    Carrie hatte sich angewöhnt, die schwarze Blüte selbst beim Schlafen bei sich zu haben.
    Nur dann fühlte sie sich wirklich sicher. Nicht einmal Toms Nähe konnte das ersetzen.
    Jeden Abend legte sie sie irgendwo auf ihre Haut, wo sie haftete und wo Carrie ihre Wärme spüren konnte, und am nächsten Tag, nach dem Auf stehen, zog sie sie wieder ab.
    Tom irrte sich bestimmt. Manchmal klebte das Blatt richtig fest, als wäre es Teil ihrer Haut. Manchmal. Carrie schwankte so heftig auf dem Stuhl, dass sie fast herunterfiel.
    Was der Spiegel ihr zeigte, war das, was Tom gesehen hatte. Und es war nicht das, was Carrie erwartete.
    Sie schrie leise auf.
    »Sag ich doch!«, ächzte Tom. »Von wegen ›tut nichts Böses‹! Wenn das ›gut‹ ist, will ich’s jedenfalls nicht haben! Kann das… kann das diese scheiß Krankheit sein, an der du leidest?«
    In Carrie krümmte sich etwas. Sie hatte das Gefühl, nach hinten zu kippen und nie wieder mit Fallen aufzuhören.
    Erst als Tom sie am Arm fasste und sie stützte, weil er merkte, wie sie zappelte, verging die Panik ein wenig.
    »Das ist nur ein Blatt! Das Blatt, das ich selbst drauf gelegt hab. Von den Blumen draußen.«
    »Die kamen mir gleich komisch vor. Vielleicht hast du dich vergiftet.«
    »Hör nicht auf ihn. Er wird es nie verstehen. Du bist

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