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0978 - In den Ruinen von London

0978 - In den Ruinen von London

Titel: 0978 - In den Ruinen von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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hinabwand, noch erkennbar waren, nicht mehr so tief wie im Gras, aber immer noch, als wäre der Straßenbelag von Hitze aufgeweicht gewesen, als der Koloss darüber gestampft war.
    Der Koloss, der ihr Dad war.
    Gewesen war.
    Carrie fror, während sie an Toms Seite die nächsten Häuser erreichte, die in einigem Abstand zum Cottage standen. Hier wurde das Viertel »zivilisierter«, wie Grandma es zu Lebzeiten manchmal ausgedrückt hatte.
    »Lass uns kurz reingehen«, sagte Tom.
    »Wo rein?«
    »In die Häuser. Die meisten Türen stehen eh offen.«
    »Das tun wir nicht«, sagte Carrie mit einer Bestimmtheit, die sie selbst überraschte. Die ganze Zeit hielt sie Ausschau nach ihrem toten Dad, der plötzlich Tonnen zu wiegen schien.
    Tonnen!
    Sobald sie ihn sichtete, mussten sie vorsichtig sein, dass er sie nicht entdeckte. Niemand konnte sagen, wie er reagieren würde, wenn er »sein kleines Mädchen« entdeckte.
    Oder war das, was sich mit einigem Vorsprung die Straße entlang bewegte, gar nicht mehr ihr Dad? War es nur noch ein hirnloses Ding, das einer Verlockung folgte, die nur es wahrnahm?
    »Da!«, sagte Tom plötzlich, ging in die Hocke und legte die Hand auf den Asphalt.
    Carrie folgte seinem Beispiel, ohne dass er sie dazu auffordern musste.
    »Spürst du es?«
    Sie nickte. Die Erschütterungen pflanzten sich bis in ihre Hand fort.
    »Wir haben aufgeholt«, sagte Tom. »Ich höre auch schon was. Dröhnen. Stampfen. Ganz fern. Aber wir kommen ihm näher. Wir brauchen nur etwas schneller zu gehen.«
    »Lass uns rennen!«
    Er sah sie verblüfft an, weil er offenbar nicht damit gerechnet hatte, dass ausgerechnet sie einen solchen Vorschlag machen würde. Dann aber nickte er. »Ja, lass uns rennen.«
    Sie liefen an weiteren Häusern vorbei, dann an der Highgate School, in die Carrie nach den Ferien hätte gehen sollen. Die Schule war von seltsamen Pflanzen halb überwuchert, Scheiben waren zerschlagen, Türen herausgebrochen.
    Der Wildwuchs verdeckte auch große Bereiche von Grundstücken und den Ein- oder Zweifamilienhäusern darauf. Es war, als wäre über Nacht ein Dschungel nach London verpflanzt worden, und als hätten gedankenlose Landschaftsbauer dabei auf nichts Rücksicht genommen, was bereits vorhanden war. Die Vegetation schritt so aggressiv voran wie in früheren Zeiten Heere, wenn sie Städte eroberten.
    Aber woher kam all das?
    »Da vorn!« Tom blieb stehen und stoppte damit auch Carrie.
    Die Straße beschrieb etwa fünfzig Meter voraus eine Kurve. Rechts ragte eine hohe Mauer auf.
    Sie sahen das DING gerade noch um die Biegung verschwinden. Der Boden unter ihnen bebte bei jedem seiner Schritte.
    »Ich glaub, wir lassen ihn besser. Kehren wir um. Kehren wir lieber um. War eine dumme Idee, ihm zu folgen. Das bringt uns höchstens in Gefahr. Das ist nicht mehr mein Dad. Das ist… keine Ahnung.« Sie zuckte mit den Schultern.
    Tom musterte sie und hatte offenbar Verständnis für die widerstreitenden Gefühle in ihr.
    »Lass uns nur noch um die Kurve. Von dort aus sieht man tief in die Stadt hinein. Wir gehen nicht weiter, aber wir beobachten noch ein bisschen. Ich wüsste zu gern, wohin es ihn zieht.«
    Carrie willigte widerstrebend ein.
    Kurz darauf erreichten sie den vereinbarten Punkt.
    »Weg«, sagte Carrie. »Er ist weg.«
    Tom nickte. »Komisch. So schnell war er nicht. Er müsste da vorn noch zu sehen sein, wenn er die Straße weiter benutzt hat.« Sein Blick suchte nach den Abdrücken im Asphalt.
    Carrie unterstützte ihn dabei.
    Rechts von ihnen war ein Tor in der Mauer.
    Beziehungsweise eine Lücke, denn das Tor lag platt auf dem Boden, als wäre ein Bulldozer dagegen gefahren.
    Die Fußstapfen sprachen eine eindeutige Sprache.
    »Das war er. Er ist da rein«, sagte Tom.
    Und Carrie ergänzte. »Das ist der Friedhof von Highgate. Hier liegen Grandpa und Grandma.«
    ***
    Sie spähten durch den aufgebrochenen Durchgang.
    In sauberen Reihen waren Gräber angelegt. Grabmäler unterschiedlichster Machart, von schlicht bis protzig, säumten die platanengesäumten Kieswege.
    Das DING stampfte etwa bis zur Mitte des Totenackers. Dort blieb es stehen. Plötzlich liefen wellenförmige Bewegung durch den Boden - als wäre es kein Erdreich, sondern Wasser, das den Anziehungskräften einer mondgroßen Masse unterworfen wurde. Die Wellen liefen kreisförmig auf Carries Dad zu.
    Carrie glaubte zu sehen, wie das, was den Koloss erreichte, wie von einem Magneten in ihm aufgesogen wurde.
    Danach beruhigte sich

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