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0978 - In den Ruinen von London

0978 - In den Ruinen von London

Titel: 0978 - In den Ruinen von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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einzigartig. Nur du bist auserwählt. Niemand sonst ist dafür gut genug. Wir wollen ihn nicht. Wir wollen nur dich. Schick ihn weg. Er tut dir nicht gut. Er macht dir Angst. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind deine Freunde!«
    Das Wispern war so klar verständlich, als hätte Tom zu ihr gesprochen. Trotzdem schien er es nicht zu hören.
    Und noch etwas wurde Carrie erstmals richtig bewusst: Nicht das Blatt als abgefallener Teil eines Blütenkelchs redete zu ihr, sondern die Blumen insgesamt taten es. Die schwarze Blüte war nur ihr Sprachrohr.
    Aber als sie erneut einen Blick in den Spiegel warf, hatte sie Verständnis für Toms Sorge. Die Hautpartie zwischen ihren Schulterblättern sah nicht einfach nur aus, als würde die Blüte dort »haften«. Es war, als hätte die Haut sie… absorbiert.
    Gleichzeitig sah es aus, als würden schattenhafte Bewegungen in der Schwärze vollzogen. Das Gesicht - oder Spiegelbild, oder was auch immer - war daraus verschwunden. Das Wispern jedoch war weiterhin zu vernehmen, wie ein permanentes Hintergrundrauschen in Carries Verstand.
    Für all dies gab es aus Toms Sicht nur ein Wort: erschreckend.
    Und aus meiner?, dachte Carrie, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, der Blüte Vertrauen zu schenken, und dem bizarren Teil ihres Rückens, der ihr selbst mehr als bloßes Unbehagen einflößte.
    Sie fasste einen Entschluss - und krümmte sich im gleichen Moment unter dem Proteststurm, der sie auf geistiger Ebene überrollte.
    Trotzdem presste sie hervor: »Kannst du… kannst du es wegmachen?«
    Tom schüttelte spontan den Kopf. Dann versuchte er es wenigstens, obwohl ihm die Abscheu deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
    Und die Angst, vielleicht selbst mit etwas angesteckt zu werden.
    »Vielleicht ein Pilz«, sagte er, während er mit spitzen Fingern versuchte, den Rand der Fläche zu fassen zu bekommen und anzuheben, falls da etwas anzuheben war.
    »Pilz?«, echote Carrie. »Was hätte ein Pilz auf meiner Haut verloren?«
    »Ich rede nicht von Pilzen, wie sie im Wald oder an anderen feuchten Stellen sprießen«, erklärte Tom, der mit seinen sechzehn Jahren schon einiges mehr wusste als Carrie. »Es gibt auch Nagelpilz, Fußpilz… keine Ahnung, was noch alles. Muss man behandeln mit Salbe, hat meine… meine Mum mir gesagt, als sie mal so was hatte. Sah eklig aus.«
    »So, wie das?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das hier ist irgendwie grausig, aber auch - halt’ mich nicht für bekloppt! - schön. Oder sagen wir besser: faszinierend. Wenn ich drauf gucke, sehe ich komische Formen, die sich ständig verändern. Vorhin dachte ich echt kurz…«
    »Was? Autsch«
    Tom hatte sie schmerzhaft gezwickt.
    »Tschuldigung. Wollt’ ich nicht. Na ja, ich dachte kurz, ich würd’ mich selbst darin sehen. Als wär’s ein…«
    »… Spiegel«, sagte Carrie.
    Er nickte. Dann fluchte er. »Scheiße, tut mir leid, aber ich krieg’s nicht zu fassen! Es liegt wie ein hauchdünner Film auf dir. Wenn das wirklich mal ein Blütenblatt war, hat es sich komplett aufgelöst und deine Haut verfärbt - oder irgendwas in der Art!«
    Er gab auf, half ihr beim Heruntersteigen vom Stuhl.
    »Versuch’s mit Schrubben. Unter der Dusche.«
    »Die Dusche ist eiskalt. Und außerdem komm ich an die Stelle kaum ran!«
    »Dann übernehm ich das. Aber nur, wenn du willst.«
    Carrie überlegte, was sie wollte -und ob sie Tom auch so weit vertrauen konnte.
    Schließlich bejahte sie es für sich.
    Aber auch alle Bemühungen, die Hautstelle mit Wasser und Wurzelbürste von was-auch-immer zu säubern, scheiterten. Die Stelle knisterte ab und zu, als wäre sie staubtrockenes, uraltes Pergament. Zugleich präsentierte sie sich aber absolut geschmeidig und unverwüstlich.
    Der Morgen graute bereits, als Tom und Carrie ihre Bemühungen einstellten und noch einmal zu Bett gingen.
    Sie schliefen bis weit in den Tag hinein - und wurden erst von einem ungeheuren Krach, wie von einer Detonation, wach.
    »Was… was war das?«
    »Keine Ahnung, aber hörte sich an, als käme es aus dem Garten. Ich seh mal nach.«
    »Nein! Lass mich nicht allein!«
    »Dann komm mit.«
    Und so geschah es. Sie schlüpften in Windeseile in ihre Kleidung und Schuhe und gingen zur Hintertür. Tom entriegelte und öffnete sie einen Spalt, durch den er erst einmal hinausspähte.
    Sofort prallte er zurück.
    »Was ist?«, fragte Carrie.
    Aus ihrem Rücken kamen beruhigende Impulse: Kein Grund zum Fürchten. Alles geht seinen Weg. Sei stark

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