0979 - Die Schlacht von London
habe keine Antwort für dich, die dich zufriedenstellen würde. Niemand weiß, wie es funktioniert. Aber es gibt unter all den Immunen eine Handvoll, die vergleichbare Fähigkeiten besitzen, eine Art Aura erzeugen, die sie für Exekutoren unsichtbar macht - und jeden, der in ihrer Nähe weilt.«
Zamorra ließ sich zu der Luke leiten. Gemeinsam stiegen sie in die Tiefe.
Wo Dutzende lebten, die so waren wie Spore und seine Mitstreiter.
Dutzende, die der tyrannischen Macht, die neuerdings über London regierte, durch die Maschen geschlüpft waren.
Aber eigentlich, erkannte Zamorra im selben Atemzug, war es ein hoffnungsloser Haufen.
Er fragte sich immer mehr, was er hier eigentlich verhexen wollte.
Er fragte sich, was aus Nicole geworden war.
***
Carrie kämpfte.
Gegen das, was sich an und in ihr festgesetzt hatte.
Sie wusste, dass das da vor ihr ein Mensch war, keine Blume. Und sie wusste - wusste es wieder -, dass man Menschen nicht behandelte, als wären sie keine. Deshalb widerstand sie der Stimme, die in ihr wisperte, beugte sich zu der Frau in der Asche hinab und legte ihre kleine Hand in ihren Nacken.
Sekundenlang verharrte sie so.
Schließlich hob die Frau den Kopf.
»Du?«
Offenbar kannte sie Carrie.
»Komm«, sagte das kahlköpfige Mädchen. »Steh auf, ich helf dir. Dann gehen wir rein. Es ist kalt geworden.«
»Kalt geworden«, kam es wie ein Echo aus dem Mund der Frau.
Sie gingen gegen den wispernden Protest, den nur Carrie hörte, ins Cottage.
»Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte die Frau. »Ich war unterwegs. Mit Zamorra. Als der Ruf mich erreichte.«
»Der Ruf?«
»Ja. Etwas rief mich. Und jetzt bin ich hier.« Benommen schüttelte sie den Kopf. »Wie konnte das geschehen?«
Sie setzten sich auf das Sofa, wo Carrie so oft mit Tom gesessen hatte. Ganz nah aneinander. Carrie streckte die Hand aus und strich über eine der schwarzen Blumen, die aus dem Körper der Frau sprossen.
»Vielleicht war es das Beet, an das sie sich erinnern, was sie rief, die Erde dort«, sagte sie leise. »Vielleicht wollten sie einfach nur heim. Und haben dich mitgenommen.«
***
»Wann gehen wir zu eurem ›Daniel‹?«, fragte Zamorra, nachdem er den anderen vorgestellt worden und von ihnen wie ein Messias bejubelt worden war.
Jener Unbekannte namens Daniel hatte ihn offenbar in verklärenden Farben gemalt, und Zamorra fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, dass er die hochgesteckten Erwartungen wahrscheinlich nicht erfüllen konnte.
Er war schon einmal bei dem Versuch gescheitert, die dem Tate entwachsene Gefahr mit Amulett-Magie eindämmen zu wollen. Bei seinem jetzigen Aufenthalt in London hatte er das Gefühl, dass die unheilige Macht, die hier wirkte, eher noch an Stärke gewonnen hatte.
»Überhaupt nicht«, erhielt er zur Antwort.
Als er überrascht die Brauen hob, kam die Ergänzung: »Er kommt zu uns. Er ist bereits informiert.«
Davon hatte Zamorra nichts mitbekommen. »Wie habt ihr ihn informiert?«
»Spielt das eine Rolle?«
Zamorra bohrte nicht weiter. »Wie lange werden wir auf ihn warten müssen?«
»Das bestimmt er allein.«
Zamorra richtete sich auf eine längere Geduldsprobe ein. Aber schon eine gute Stunde später stand er Daniel gegenüber.
Und erlebte eine Überraschung.
»Sie sind ›Daniel‹?«
Ein schlanker, fast hagerer Mann, der älter wirkte, als er wahrscheinlich war. Sein Haar war schlohweiß, aber immerhin: Es war noch Haar, nicht irgendein pflanzliches Gestrüpp. Auch die Augen wirkten wie menschliche Sehorgane, ohne den geringsten Anstrich von pflanzlicher Zusammensetzung.
»Ich bin Daniel. Daniel Forsythe, um genau zu sein.«
Die Kleidung, die sein Gegenüber trug, war unauffällig. Saloppe Freizeitklamotten, wie sie die meisten hier anhatten.
»Daniel Forsythe. Mit Verlaub, das sagt mir nichts, auch nicht Ihr Äußeres, Ihr Gesicht. Dabei ging ich die ganze Zeit davon aus, dass, wenn Sie mich kennen, ich auch Sie kennen müsste!«
Der Mann wirkte besonnen. Eher introvertiert als selbstdarstellerisch veranlagt. Und eines mit Sicherheit nicht: geschwätzig. Ruhig hörte er sich Zamorras Ausführung an. Dann erwiderte er: »Was du siehst, ist nur eine Facette von mir. Eine Seite der Medaille, wenn man so will.«
»Soll heißen?«, fragte Zamorra.
»Dass der Teil, den du nicht siehst, Zamorra, dich durchaus kennt - und schätzt.«
»Ein unsichtbarer Teil, so, so.« Zamorra machte kein Hehl daraus, dass er Klartext bevorzugt hätte. »Und heißt dieser
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