0979 - Die Schlacht von London
der Baumgigant zum Zwerg.
Und die Menschen?, dachte Zamorra. Was wird aus all den Menschen?
In seiner Vorstellung wurden sie beim Schrumpfungsprozess zerquetscht.
»Das wird nicht geschehen«, versprach Arsenius aus Daniels Mund. »Hab Vertrauen. Alles läuft perfekt.«
Als der Schreckensbaum kaum noch größer als ein nordamerikanischer Mammutbaum war, kam der Abwärtstrend ins Stocken. Zamorra fürchtete bereits, das Böse habe ein Mittel gegen die Magie gefunden, das sie in diese Bedrängnis brachte.
Doch dann…
... wurde der Baum rot glühend -und im nächsten Moment stob er in einer ungeheuren Entladung auseinander.
Amulett, Dhyarra und Zeitring beendeten ihr Gemeinschaftswerk. Merlins Stern war so heiß, wie Zamorra es selten erlebt hatte, glühte beinahe selbst. Aber er kühlte auch rasch wieder ab.
Zamorra nahm es als Zeichen, dass Taran verstanden hatte - er hatte wohl mit den Geistern der Halls zusammengearbeitet.
»Es ist vollbracht«, sagte jetzt auch Arsenius.
Die Geister der anderen Hüter lösten die Kette auf, die das Amulett dazu verleitet hatte, die von Asmodis eingebaute Sicherung zu überbrücken und den Baum als Kraftlieferant bis in den totalen Kollaps zu reißeft.
Und während Zamorra noch ganz unter dem Eindruck des Geschehenen stand, änderten sich urplötzlich die Lichtverhältnisse.
Die Nebelglocke, unter der London ein Jahr lang begraben gelegen hatte, riss auf und wehte davon.
Zum ersten Mal seit Eintritt der Katastrophe schien wieder die Sonne warm und ungefiltert auf die Stadt herab.
Eine Stadt, in der sich allerorten Leben regte, Menschen aus ihren Häusern traten. Menschen, die wie schlaftrunken herumirrten und nicht ahnten, aus welchem Albtraum sie wach gerüttelt worden waren.
Ein Paradoxon, dachte Zamorra. Der Ring und das Amulett haben alles bis zu einem Moment zurückgeführt, der das meiste Leben bewahren konnte -auch wenn nicht alles ungeschehen gemacht wurde.
Während die Stadt aus einem erstickenden Dornröschenschlaf erwachte, nahm Zamorra Abschied von Arsenius und führte den ganz und gar orientierungslosen Daniel Forsythe aus der Stadt heraus.
Gemeinsam begaben sie sich zu dem Container-Komplex, von dem aus Field-Marshal Cougar die Nebelgrenze hatte überwachen lassen.
Den Nebel gab es nicht mehr. Cougar schon.
Und zu Zamorras Erstaunen hatte er eine Nachricht für ihn. »Sie sollten schnellstens auf Ihrem Schloss anrufen«, erfuhr Zamorra aus dem Mund des Field-Marshals, der nicht weniger staunte als Zamorra, wenn auch über das Ereignis als solches - den Nebelfall.
»Auf meinem Schloss?«, fragte Zamorra verständnislos.
»Sie können von hier aus telefonieren. Falls Ihnen Ihr schickes Gerät abhandengekommen sein sollte.«
Cougar zeigte auf ein schlichtes Telefon mit Wählscheibe.
»Wen soll ich anrufen?«, fragte Zamorra rau.
»Ihre Lebensgefährtin. Nicole Duval. Sie macht sich offenbar bereits Sorgen um Sie.«
Sie um mich?, dachte Zamorra fassungslos.
Doch dann überwand er seinen Unglauben und rief zum Château durch.
Bis zuletzt rechnete er mit einem Irrtum, einer Verwechslung.
Doch dann meldete sich tatsächlich die unverkennbare Stimme von Nicole, und für ein paar Sekunden war er unfähig, auch nur ein Wort zu sagen.
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Epilog
»Ich schicke dir Carrie«, hatte Nicole gesagt.
Und kaum einen Atemzug später stand das Mädchen vor Zamorra.
Es war einfach da.
Ein Raunen ging durch die versammelten Menschen in der Nähe. Und auch Zamorra staunte.
»Was ist mit dir passiert?«, fragte er. »Du siehst so… anders aus.« Wunderschön, wollte er eigentlich sagen, aber irgendwie gehorchten ihm seine Stimmbänder nicht.
Carrie stand kleidungstechnisch vor ihm wie ein ganz normaler Teenager: ärmelloses T-Shirt, Jeans, Turnschuhe. Die Sachen sahen neu aus, wahrscheinlich hatte Nicole sie ihr besorgt, und sie passten wie angegossen.
Darin erschöpfte sich aber auch schon die »Normalität«.
Carries Haut war nicht mehr von abseitiger Schwärze, sondern leuchtete in allen Farben des Regenbogens. Wenn man ihr eine Weile ins Gesicht schaute, war es, als würde man in den Farben versinken.
Zamorra musste sich gewaltsam dem Zauber entziehen.
»Ist das ein Kompliment«, fragte Carrie, »oder…«
»Ein Kompliment - ganz ohne Frage!«
»Na dann will ich mal nicht so sein. Komm, gib mir deine Hand.«
Er ahnte, was kommen würde, aber es gab nichts, was ihn davon hätte abhalten können.
Er nickte den freien Menschen von London zum
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