098 - Der Kerkermeister
geeint. Hideyoshi ist Herr über Zentraljapan, aber viele Daimyos weigern sich, ihn anzuerkennen."
„Hm. Und wo habt Ihr nun Franca Marzi kennengelernt, Pater?"
„Die meiste Zeit lebte ich in der Hafenstadt Nagasaki, die auf Kyushu, einer der vier Hauptinseln, liegt. Doch regelmäßig besuchte ich andere Städte, um die Japaner zu unserem Glauben zu bekehren. Und dabei hörte ich immer wieder von einem geheimnisvollen Gebiet namens Tokoyo, dessen Herrscher Kokuo genannt wurde. Ich versuchte nähere Informationen über Tokoyo zu erfahren. Das war nicht so einfach. Die meisten Japaner schwiegen, wenn ich die Sprache auf dieses Thema brachte. Doch nach und nach gelang es mir, ein Bild von Tokoyo zu gewinnen. Es gilt als verfluchtes Feengebiet, als ein Bezirk, aus dem kein Wanderer wiederkehrt - ein Niemandsland. Ich ließ nicht locker, und endlich erhielt ich von einem gefangenen Wako-Piraten einen Hinweis. Er war in Tokoyo gewesen. Es war eine Insel in der Korea-Straße. Mit einigen anderen beherzten Missionaren machte ich mich auf die Suche. Wir fanden Tokoyo und versuchten, die Bevölkerung zu bekehren. Da wurden wir überfallen. Der Großteil meiner Freunde wurde getötet. Mich nahmen die Samurais des Kokuos gefangen. Sie sperrten mich in den Palast ein. Dort lernte ich Franca Marzi kennen, der sich seit einem Monat als Gefangener dort befand."
Erregt beugte ich mich vor.
„Und was erzählte Euch Franca, Pater?"
„Er war unter die Piraten gegangen, gezwungenermaßen. Die Wakos, so werden die Piraten genannt, machen die Küsten unsicher. Marzi diente dem grausamen Daimyo Gori. Er versuchte, eine Gefangene des Daimyo, ein Mädchen mit dem Namen O-Yuki, zu befreien. Sie flüchteten mit einem kleinen Boot, gerieten in einen Sturm und wurden nach Tokoyo getrieben, wo sie Kokuo gefangennahm. Marzi sah entsetzlich aus, als ich ihn traf. Er wurde täglich unmenschlich gemartert. Kokuo ließ mich schließlich rufen. Er wolle mich freilassen, sagte er. Ich solle allen sagen, daß niemand sein Land betreten dürfe. Ich bat ihn, Marzi mitnehmen zu dürfen, doch er lehnte ab. Marzi hatte mir von Euch erzählt, und davon berichtete ich Kokuo. Plötzlich war er interessiert. Er will Marzi gegen ein hohes Lösegeld freilassen."
„Wie hoch ist es?"
„Er will zweihundert Luntenschloß-Musketen. Sobald er sie hat, will er Euren Freund freilassen." „Ich werde die Musketen besorgen", sagte ich. „Habt Ihr einen Plan von Tokoyo?"
Der Pater nickte und blickte mich lauernd an. Ich verstand. Einen Seufzer unterdrückend, holte ich einen Lederbeutel hervor und legte ihn auf den Tisch. Der Pater grinste zufrieden.
„Eine Spende, damit die Jesuiten ihr segensreiches Werk fortsetzen können", sagte ich und versuchte, meine Stimme nicht allzu sarkastisch klingen zu lassen.
„Gottes Segen über Euch", sagte der Pater und ließ den Beutel blitzschnell verschwinden. Er schob mir eine Karte herüber, die ich genau betrachtete.
Der Pater stand auf, und ich verabschiedete mich.
Es war nicht so einfach, die zweihundert Musketen zu bekommen. Waffen waren sehr gefragt. Doch nach vierzehn Tagen hatte ich die zweihundert Feuerwaffen.
Mit Francisco de Mendez, dem Kapitän der Vigo, einer mächtigen Galeone, hatte ich mich rasch geeinigt. Er verlangte eine unverschämt hohe Summe für meine Passage und den Transport der Waffen nach Macao. Doch mir blieb keine andere Wahl. Zähneknirschend mußte ich zahlen.
Die Vigo gehörte zu einem Konvoi von fünfzehn Schiffen, die die weite Reise nach China in zwei Tagen antreten sollten. Von Macao aus mußte ich dann selbst sehen, wie ich nach Japan kam.
Einen Tag vor unserer Abreise schiffte ich mich ein. Die Kajüte war zu meiner Überraschung recht geräumig. Ich hatte mir genügend Lebensmittel und Wein mitgebracht. Schiffsreisen waren mir nichts Neues, und ich wußte, welche Strapazen und Entbehrungen vor mir lagen. Viele Wochen würden wir unterwegs sein.
Außer mir befanden sich noch drei weitere Passagiere an Bord, ein Niederländer und zwei Japaner, die im Auftrag ihres Daimyos Spanien und Portugal besucht hatten.
Die Japaner sah ich die ersten Tage auf See kaum. Meist hockten sie in ihren Kajüten.
Der Holländer hieß Jan Huyghen van Linschoten. Er war dreiundzwanzig Jahre alt. Sein blondes Haar war kurz geschnitten, und sein Vollbart war sehr gepflegt. Ich verstand mich mit ihm auf Anhieb. Van Linschoten war hochintelligent und äußerst wißbegierig. Er hatte vor drei Jahren
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