098 - Die Blutfurie
Mann ließ sie nicht los. Sie war verzweifelt. So sehr hatte sie auf eine Chance gehofft, doch es gab keine.
Die Lady stieg aus und war bereit, Jubilee in Empfang zu nehmen. Wenn sie das Mädchen erst einmal beide festhielten, war an eine Flucht überhaupt nicht mehr zu denken.
Jubilee rutschte über die weich gepolsterte Sitzbank. Ihre Nervenstränge waren in diesem Moment bis zum Zerreißen angespannt. Sie hoffte, mit einem Trick freizukommen.
Jetzt streckte sie ihre Beine nach draußen und stand auf. Gleichzeitig tat sie so, als würde sie auf dem uneben Boden umkippen, und sie stieß einen Laut aus, der Schmerz und Erschrecken ausdrücken sollte.
Sie sackte nach unten, und als sich der Griff um ihr Handgelenk geringfügig lockerte, riß sie den Arm zurück und war frei.
Frei!
Bevor sie herumschnellte, um das Weite zu suchen, gab sie dem Lord noch rasch einen Stoß. Er fiel gegen seine Frau und fluchte gotteslästerlich.
Nun mußte Jubilee zeigen, daß sie schnell und ausdauernd laufen konnte. Sie sauste los, am Kofferraum des Wagens vorbei. Sie kannte sich nicht aus in diesem Wald, und der Nebel war ein zusätzliches Handikap. Aber sie hatte erst mal ihre Freiheit wieder, und daraus wollte sie das Beste machen.
Die Barringtons versuchten sie zu kriegen, doch Jubilee entzog sich ihrem Zugriff. Sie rannte nur ein paar Meter die verwilderte Straße entlang, dann schwenkte sie ab und lief wie ein gehetztes Reh durch den Wald.
Sie schlug Haken, stolperte über Wurzeln, sprang über Gräben. Blätter klatschten ihr ins Gesicht, manchmal schmerzte es. Aber der schlimmste Schmerz war nichts gegen das, was sie erwartete, wenn sie Cantacca wieder in die Hände fiel.
Es wurde für sie zur fixen Idee, daß er diese Entführung veranlaßt hatte, und sie glaubte plötzlich auch den Grund zu kennen, wieso diese alten Leute so unbegreiflich stark waren: Dämonenkraft steckte in ihnen! Sie mußten vom Bösen besessen sein!
Sie konnten genauso schnell laufen wie Jubilee.
Normalerweise wären sie dazu nicht in der Lage gewesen. Der Altersunterschied war zu groß, aber die Kraft des Bösen überbrückte diese Kluft.
Jubilee gelang es nicht, die Verfolger abzuhängen. Dicht blieben ihr die Lady und der Lord auf den Fersen. Sie begriff, daß Laufen allein nichts nutzte. Sie mußte die Besessenen erneut austricksen.
Es mußte ihr gelingen, sich zu verstecken. Es war finstere Nacht, und manchmal war der Nebel so dicht, daß man kaum die Hand vor den Augen sehen konnte.
Da mußte es doch möglich sein, sich ganz schnell irgendwo zu verstecken! Schon längst hatte Jubilee die Orientierung verloren. Ihr war es egal, wohin sie lief. Hauptsache sie lief überhaupt noch, denn solange sie das tat, war sie frei.
Weiter! Schneller! schrie es in ihr.
Sie hörte den Lord und die Lady durch das Unterholz brechen. Die beiden wollten sie in die Zange nehmen. Jubilee rannte geradeaus und wandte sich unvermittelt scharf nach links.
Nach etwa dreißig Schritten wandte sie sich noch einmal nach links, und dann lief sie, so schnell sie konnte. Sie holte alles aus sich raus, für ungefähr hundert Meter.
Dann warf sie sich auf den Boden und rührte sich nicht. Ihre Lungen pumpten wie Blasebälge. Sie befürchtete, sich mit dem heftigen Atmen zu verraten, aber sie mußte atmen, tat es mit weit offenem Mund.
Lady Amanda Barrington und ihr Mann rannten ein Stück weiter, blieben jedoch sehr bald stehen und kehrten um. Jubilee hörte die Geräusche, die sie verursachten.
Die Besessenen versuchten nicht leise zu sein. Sie kamen näher. Jubilee hätte sich am liebsten in den Waldboden eingebuddelt. Sollten die Besessenen sie entdecken, würde sie aufspringen und die Flucht fortsetzen.
Aber es würde dann eine sinnlose Flucht sein, denn Jubilee spürte, wie stark sie abgebaut hatte. Sehr viel Kraft stand ihr nicht mehr zur Verfügung. Sie hatte sich vorhin zu stark verausgabt. Mit einem solchen Problem hatten die Besessenen nicht zu kämpfen, denn die Kraft des Bösen machte sie unermüdlich.
Immer näher kamen die beiden, und Jubilee wünschte sich, sich in einem Maulwurf verwandeln zu können.
Lady Amanda blieb stehen. Ihr Mann ging zwei Schritte weiter. Noch einmal zwei Schritte - nur noch zwei Schritte - und er hätte Jubilees Beine entdeckt.
Aber da blieb auch er stehen und blickte sich suchend um. Obwohl es ihr sehr schwer fiel, atmete Jubilee nicht. Das war eine entsetzliche Tortur, aber ihr Leben hing davon ab!
Die Barringtons
Weitere Kostenlose Bücher