098 - Die Geistergirls von W
Parkplatz
standen mehrere grün-weiße Einsatzwagen. Das fünfstöckige Haus war
hellerleuchtet. Genau gegenüber lag der Gertrudisplatz mit den alten Bäumen, dem Bunker und dem Kiosk. Tagsüber und bis in die späten
Abendstunden hinein war der graue, flache Kiosk, der schon lange nicht mehr
bewirtschaftet wurde, das Ziel vieler Wermutbrüder und Zechkumpane. Sie
beschafften sich ihren Fusel aus den Gaststätten und dem großen Kaufhaus auf
der anderen Straßenseite und kamen hier dann zusammen.
Das Gelage ging oft bis in die späten Abendstunden. Nicht selten
war es in der wärmeren Jahreszeit, dass ein Trinker
sein Nachtlager gleich unter einer der alten Kastanien und Weiden aufschlug.
Kommissar Merkert führte seine Begleitung in das große Gebäude und suchte
seinen Büroraum auf. »Das alles geschieht zu ungewöhnlicher Zeit, ich weiß. Es
tut mir leid, dass ich Ihnen die Mühe nicht ersparen
kann .«
»Es macht uns keine Mühe, mir jedenfalls nicht«, fühlte Erwin
Rösch sich veranlasst zu sagen. »Wenn wir dazu
beitragen können, dass die Mörderin unserer Freunde
schnell gefasst werden kann, dann war unser Herkommen
wenigstens nicht umsonst .« Sonja Rösch nickte zu den
Worten ihres Mannes, obwohl sie lieber gleich nach Hause gefahren wäre. Es zog
sie in die Wohnung zu ihrem Jungen. Der Gedanke, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, erfüllte sie wieder. Sie erwähnte jedoch
nichts. Ihre Vorahnungen für heute Nacht reichten ihr
eigentlich. Kommissar Merkert legte ihnen ein Buch mit zahlreichen Fotos vor.
Es waren ausschließlich Frauenbilder. Um die Prüfung abzukürzen, schlug er eine
Seite auf, die nur Fotos rothaariger Frauen enthielt.
»Das ist sie !« Sonja
Rösch wirkte erschrocken, als hätte sie nicht erwartet, das Foto jener Frau
hier zu sehen, die sie anfiel und fast erschossen hätte. »Sind Sie ganz sicher,
Frau Rösch ?« , fragte Kommissar Merkert freundlich,
aber mit fester Stimme.
»Ein Zweifel ist ausgeschlossen, Kommissar. Ich habe das Gesicht
genau vor mir gesehen ... Sie trug sogar die Haare
genau wie hier auf dem Bild. Sie ist eine ausgesprochen attraktive, schöne Frau
... ich würde sie unter tausend anderen auf Anhieb wiedererkennen .« Merkert nickte. »Danke«, sagte er dann nachdenklich. »Das
war's dann auch schon. Ich will Sie nicht länger hier aufhalten. Wir können
jetzt alles in die Wege leiten .«
»Wird diese Frau noch wegen anderer Verbrechen gesucht? Können Sie
sie schnell festnehmen oder sehen Sie keine Chance, um ...«
»Das weiß ich noch nicht so genau«, fiel Merkert der Frau ins
Wort, die sofort erkannte, dass sie zu weit
vorgeprescht war. »Wir werden alles daransetzen, dass die furchtbare Sache so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Ich lasse Sie
umgehend nach Hause fahren. Mein Assistent wird das erledigen. Sollten noch
Fragen auftauchen, möchte ich Sie schon jetzt dafür um Verständnis bitten, wenn
wir Sie in den nächsten Tagen noch mal belästigen müssen .«
Erwin und Sonja Rösch verließen wenige Minuten später das
Polizeigebäude. Noch ehe der Wagen unten startete, hing Merkert bereits am
Telefon und sprach mit dem Leiter der Schutzpolizei Behrend.
»Die Sache wird immer mysteriöser«, berichtete er. »Es gibt keinen
Zweifel, dass unsere Zeugin die vermutliche
Todesschützin erkannt hat. Jetzt haben wir nicht nur einen Doppelmord am Hals,
eine Waffe, mit der sich ohne Schalldämpfer Kugeln verschießen lassen, die es
eigentlich gar nicht gibt - wir haben auch eine Leiche als Täter.«
»Wie bitte ?« , klang es verwirrt an sein
Ohr.
»Sonja Rösch hat die Frau, mit der sie im Clinch lag, einwandfrei
und auf Anhieb identifiziert. Es handelt sich um das Callgirl Lydia Prauner alias Suzette , wie ihr Künstlername hieß.
Suzette liegt seit drei Wochen tot und begraben auf dem alten Günnigfelder Friedhof ...«
●
Einen Moment herrschte am anderen Ende der Strippe betretenes
Schweigen. »Du nimmst mich auf den Arm«, war Behrends erste Reaktion.
»Ich meine es todernst .« Merkert starrte
auf das Foto der rothaarigen jungen Frau mit dem üppigen Busen. Lydia Prauner war eine in dieser Region bekannte Prostituierte.
Zuletzt war sie als Animiermädchen und Callgirl im Bahama Sun gemeldet gewesen. Die Bahama Sun versprach
braune Haut und schöne Mädchen. Das kleine Fachwerkhaus lag am Stadtrand,
zwischen Wattenscheid und Wanne-Eickel, und abends nach Einbruch der Dunkelheit
standen dort viele große Autos, mit denen aus der
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