098 - Die Geistergirls von W
Jahren in ihrem Haus und sei möglicherweise krank
gewesen. Alle diese Bemerkungen trugen mit dazu bei, die Lage zu entspannen,
und wirkten tröstend auf die alte Frau, die um ihren toten Hund weinte wie um
einen Menschen, den sie verloren hatte. Nach und nach leerte sich der Raum
wieder, und auch vor dem Eingang herrschte weniger Gedränge. Nicht alle
Bewohner kehrten jedoch gleich in ihre Behausungen zurück.
So konnte Luis Garcia de Valo seine
Gespräche und Befragungen fortsetzen. Vielleicht war einem der Anwesenden doch
etwas aufgefallen. X-RAY-14 interessierte der Zeitpunkt vor dem Todeseintritt
des Hundes. Das Tier hatte angeschlagen, und den Ausführungen von la Mama nach
bellte er nur, wenn jemand Einlass begehrte. Der Hund
hatte vor seinem merkwürdigen Verhalten und seinem plötzlichen, unerklärlichen
Tod noch jemanden gewittert und brav gemeldet. Larry deckte den Kadaver des
Hundes mit einer alten Decke ab, die er von la Mama erbeten hatte. Die
alte Frau erklärte sich damit einverstanden, dass Brent den toten Hund zur Untersuchung mit in die Stadt nahm. X-RAY-3 wollte die
Ursache des Todes wissen. Das alles war ihm zu mysteriös.
»Aber bringen Sie ihn mir wieder zurück«, flüsterte die alte Frau.
»Ich möchte ihn in meinem Garten begraben .«
»Ich verspreche es Ihnen«, entgegnete Larry. Gemeinsam mit seinem
Kollegen X-RAY-14 wollte er das tote Tier in den Toyota tragen. Doch da
passierte noch etwas sehr Rätselhaftes. Auf dem einfachen gemauerten Fußboden,
der nur rings um das Sofa mit einem handgewebten, farbenprächtigen Teppich
abgedeckt war, erschien ein Gegenstand. X-RAY-3, der sich gerade bückte, um die
Hinterpfoten des Hundes zu packen, hielt inne. »Was ist los ?« ,
fragte Luis Garcia verwundert.
»Da kommt etwas«, wisperte Larry Brent unwillkürlich und konnte
seinen Blick nicht von der Stelle nehmen, an der sich das graue Etwas aus dem
Nichts bildete. Es ging verhältnismäßig schnell. Aber der Eindruck, dass etwas, das bis vor wenigen Augenblicken noch nicht zu
sehen war, nun sichtbar wurde, blieb erhalten.
»Ein Pass ? !« ,
entfuhr es verwundert dem Agenten, und er starrte ungläubig auf den Gegenstand,
der greifbar vor ihm lag und der lautlos von der Decke herabgefallen zu sein
schien. Hatte eine der Personen, die sich bis vor ein paar Minuten noch in
dem Zimmer aufhielten, den Ausweis vielleicht verloren? Larry verwarf
diesen Gedanken ebenso schnell wieder, wie er ihm gekommen war. Von den Leuten
aus Ondomas trug keiner seine Papiere spazieren. Die
meisten hatten wahrscheinlich nicht mal welche. Außerdem - er erkannte es an
der grauen Hülle - war das ein deutscher Personalausweis. Er war verdrückt,
beschädigt und - blutverschmiert ...
●
»Haben Sie das verloren, la Mama ?« ,
fragte X-RAY-3 die Frau und deutete auf das Objekt. Die alte Frau, die wieder
auf ihrem Sofa saß und sich die Tränen trocknete, hörte die Frage beim ersten
Mal gar nicht, weil sie ganz in Gedanken versunken war. Erst beim zweiten Mal
sah sie auf.
»Nein«, sagte sie dann kopfschüttelnd mit tonloser Stimme. »Gehört
mir nicht. Was ist das und wo kommt es her ?« Was es
war, konnte Larry sagen. Aber woher es kam, da war auch er überfragt. Wie der
plötzliche Tod des Hundes, war auch der Pass aus dem
Nichts gekommen.
Larry griff nicht sofort danach, sondern lauschte still in sich
hinein. Er konzentrierte sich auf seine Umgebung. War außer ihnen vielleicht
noch jemand da? Jemand, den sie mit ihren Augen nicht wahrnehmen konnten, weil
er unsichtbar war? Es wäre nicht das erste Mal, dass er mit Unsichtbaren zu tun hatte.
Das Gefühl, es könne noch jemand anwesend sein, verstärkte sich
jedoch nicht in ihm. Vorsichtig griff er nach dem blutverschmierten und
zerknautschten Pass . Vielleicht war es nur eine Fata
Morgana. Aber spätestens in dem Moment, als seine Fingerspitzen die feste
Oberfläche berührten, hatte er die Gewissheit , dass der Fund materiell war und nicht nur auf einer
Einbildung beruhte. Larry Brent klappte den Pass auf.
Der Agent sprach fließend Deutsch und konnte in dieser Sprache auch jeden Text
fehlerfrei lesen. Als PSA-Agent musste er mindestens
vier Fremdsprachen perfekt beherrschen. Sein Deutsch war von einer
hervorragenden Qualität, weil auch in seinem Elternhaus diese Sprache
gesprochen worden war. Seine Mutter war Deutsche und stammte aus Frankfurt.
Sein Blick fiel zuerst auf das Passfoto .
Es zeigte ein gutaussehendes, dunkelhaariges Mädchen, das
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