098 - Die Geistergirls von W
nächsten mysteriösen Botschaft. »So etwas hab ich aber auch
noch nicht gesehen, Kommissar ...« Bei diesen Worten hielt er seinem
Vorgesetzten die offene Handfläche hin. Auf einer dünnen Plastikfolie lag das
aus dem Holz entfernte Projektil. Merkerts Augen verengten sich. »Was ist denn
das ?« , fragte er verwundert.
»Das frage ich mich auch, Kommissar. Ich habe so ein Ding noch nie
gesehen .«
»Das ist doch keine Kugel ...«
Das Ding , wie es der Kriminalassistent bezeichnete, war ein
etwa fünf Millimeter langes Objekt, das wie ein Miniatur-Tannenzapfen aussah.
Die Zapfen waren leicht angehoben und scharfkantig. Nicht mal die Wucht, mit
der das Projektil in das Holz getrieben worden war, hatte die scharfkantigen,
spitzen Schuppen zusammengedrückt. Ratlos blickten die beiden Männer das Ding an.
»Das muss auf dem schnellsten Weg
untersucht werden«, sagte Merkert mit dumpfer Stimme. »Ich will wissen, wo das
herkommt und wer so etwas fabriziert .« Daraufhin nahm
er sich die Waffe noch mal vor und betrachtete sie genauer. Sie war jeder
anderen Pistole, die er kannte, äußerlich ähnlich. Es handelte sich um einen
sechsschüssigen Revolver. Im Magazin steckten noch drei Kugeln mit der
merkwürdigen Oberfläche. Merkert sprach noch mal mit Sonja Rösch. Sie hatte
ausgesagt, dass sie, als der Schuss auf sie abgefeuert wurde, kaum ein Geräusch vernommen hätte.
Das würde bedeuten, dass auf den Lauf
ein Schalldämpfer geschraubt war. Aber er fand nirgends einen. Die Waffe selbst
war demnach so konstruiert, dass sie offensichtlich
völlig lautlos abgefeuert werden konnte. Aber das war dem Kriminalbeamten
völlig unverständlich. Beim ballistischen Versuch in der Dienststelle in Bochum
würde sich das alles genauer feststellen lassen. Merkert war mit den ersten
Ergebnissen, die an den Tag befördert wurden, alles andere als zufrieden. Da passte nun überhaupt nichts. In Gedanken zog er Fazit, was
er gehört und gesehen hatte.
Da gab's eine Waffe, die lautlos seltsame Kugeln verschoss . Diese Kugeln hinterließen ein winziges,
kaum wahrnehmbares Einschussloch und unterbanden
gleichzeitig jegliche Blutung. Das war eine physikalische Unmöglichkeit! Da
gab's eine Frau namens Sonja Rösch, die von sich behauptete, markerschütternd
gebrüllt zu haben. Das wurde von Nachbarn bestätigt. Aber der Mann, der sich
zum Zeitpunkt des Überfalls in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielt, hatte keinen
einzigen Laut vernommen!
In dieser Zeit durchstöberte Erwin Rösch angeblich das obere
Stockwerk des Hauses, in dem er kurz zuvor ein Geräusch vernommen hatte. In der
Zwischenzeit - das ließ sich rekonstruieren - war die vermutliche Mörderin
schon über die Balkonbrüstung und die Simse nach unten geklettert. Es gab
Spuren, die dies eindeutig belegten. Sonja Rösch war die Einzige ,
die die geheimnisvolle Fremde gesehen hatte. Sie stand ihr von Angesicht zu
Angesicht gegenüber. Sonja Rösch konnte eine präzise Beschreibung geben. So
präzise, dass Kommissar Merkert glaubte, eine ganz
bestimmte Person darin zu erkennen.
Nachdenklich wandte er sich noch mal an das Ehepaar Rösch. Die
Leichen waren inzwischen mit weißen Tüchern abgedeckt, und man wartete noch auf
den Wagen mit den Zinksärgen für den Abtransport der Ermordeten. Der Polizei
war es nicht gelungen, die Neugierigen vom Haus der Bertmans zu vertreiben. In nächster Nähe vor dem Haus standen noch immer Grüppchen
beisammen und beobachteten den massiven Einsatz.
»Ich hätte Sie gern schon nach Hause gelassen«, wandte Merkert
sich an Sonja Rösch. »Sie sind mit den Nerven ziemlich fertig. Kann ich
verstehen. Da ist heute Abend eine Menge auf Sie
eingestürmt. Sie müssen aber auch verstehen, dass wir
jede erreichbare Spur, solange sie noch frisch ist, überprüfen. Ich möchte sie
deshalb freundlich bitten, aufs Revier mitzukommen .«
»Was soll ich da ?« , fragte die
strapazierte blasse Frau leise.
»Ich möchte Ihnen ein Buch mit vielen Fotos vorlegen. Aber
anzusehen brauchen Sie nur eine Fotografie. Ich möchte gern von Ihnen wissen,
ob die Frau, die darauf abgebildet ist, identisch ist mit der, die versuchte,
auch Sie umzubringen .« Sonja Rösch erklärte sich
bereit, das Experiment trotz der fortgeschrittenen Stunde noch mit sich
durchführen zu lassen. Ihr Mann wich nicht von ihrer Seite. »Du solltest
vielleicht lieber nach Hause gehen«, wandte sie sich an ihn.
»Kommt nicht in Frage .«
»Wegen Hans-Peter. Der Junge ist allein .«
»Er
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