0982 - Der Auserwählte
Laires Auge nun in meinen Händen, und ich konnte mir nur schwer vorstellen, daß ich die Endstation seiner Odyssee sein sollte.
Wer, wie Laire und Samkar, zwischen dem Einsteinuniversum und dem Gebiet jenseits der Barys pendeln wollte, brauchte zwei verschiedene Augen: eines für den Normalraum und eines für die andere Seite. Nach dem Verlust seines Auges war Laire lange Zeit dazu verurteilt gewesen, im Einsteinuniversum zu verweilen. Nun hatte man ihm zu einem Ersatz verholfen.
Obwohl ich mir der Bedeutung dieses wunderbaren Instruments sicher nur zu einem Teil bewußt wurde, fühlte ich einen ehrfürchtigen Schauer durch meinen Körper gehen. Zweifellos war dies ein zweischneidiger Besitz, der sowohl Glück und Macht als auch Leid und Trauer verhieß. In diesem Auge manifestierte sich die Polarität einer rätselhaften, nach wie vor unüberschaubaren Schöpfung.
Behutsam führte ich das Auge vor mein Gesicht. Als ich jedoch hindurchblicken wollte, blieb es verschlossen. Auch ein distanzloser Schritt war nicht möglich. Das Instrument war desaktiviert. Ich ahnte, daß sich das in nächster Zeit kaum ändern würde.
Ich wandte mich an die in der Hauptzentrale versammelten Freunde, die meinen Versuch gespannt beobachteten.
„Es funktioniert nicht", gab ich achselzuckend bekannt. „Die Kosmokraten haben vorgesorgt, daß niemand von uns dem Arkoniden folgen kann."
Ich registrierte einige zweifelnde Blicke und überreichte Bully das Auge.
„Versuch du es!" forderte ich ihn auf.
Er zupfte sich verlegen am Bart.
„Es genügt, wenn du es uns sagst", meinte er.
Hamiller, der seinen wissenschaftlichen Instinkt nicht zügeln konnte, trat auf ihn zu und nahm ihm das Auge aus den Händen.
„Sie haben doch sicher nichts dagegen?" fragte er.
Ich mußte lachen, denn da er das Instrument bereits an die Augen hielt, war seine Frage nur rhetorischer Natur. Gleich darauf ließ er es wieder sinken und gab es an mich zurück. Er gab keinen Kommentar.
„Ich begebe mich nun zu Doktor Jordan", sagte ich. „Bully, würdest du mich in die Krankenstation begleiten?"
Wir verließen die Hauptzentrale. Mein Freund machte einen bedrückten Eindruck, aber er sprach nicht über seine Sorgen. Ich verstand ihn auch ohne viele Worte.
Der Mediziner begrüßte uns zurückhaltend, anscheinend fürchtete er Vorwürfe, weil er über Atlans Besuch gesprochen hatte.
„Ich möchte, daß Sie die an Atlan durchgeführten Untersuchungen an mir wiederholen", befahl ich ihm.
Er machte sich wortlos an die Arbeit. Nach kurzer Zeit stand fest, daß bei mir ähnliche Symptome wie bei dem Arkoniden auftraten, allerdings waren sie bereits wieder im Abklingen begriffen.
„Was hältst du davon?" fragte ich Bully, nachdem wir die Krankenstation und den ziemlich ratlosen Doktor Jordan verlassen hatten.
„Sicher holen die Kosmokraten niemand auf die andere Seite, damit er dort eine Art Winterschla£ hält", antwortete der untersetzte Mann sarkastisch. „Ich bin überzeugt davon, daß es sich nur um eine vorbereitende Umstellung des Körpers auf die physikalischen Gegebenheiten der neuen Umgebung handelt."
Das war auch meine Ansicht.
Auf dem Weg in die Hauptzentrale erfuhren wir von Kanthall über Interkom, daß die Weltraumfabrik verschwunden sei. Sie war den Kosmischen Burgen gefolgt, vermutlich dorthin, wo sich nun auch Atlan, Laire und Samkar aufhielten.
„Das ist das Ende unserer Mission", sagte ich zu meinem Begleiter. „Wir haben nichts mehr, was uns in Erranternohre hält."
„Ich habe das Gefühl, daß wir auch am Ende einer Epoche stehen", erwiderte er grüblerisch, was sonst keineswegs seine Art war.
„Das erscheint dir nur so", sagte ich. „Wir stecken zu tief in diesen kosmischen Verwicklungen, um uns einfach daraus zurückziehen zu können. Die Kosmokraten werden-sich wieder melden, vielleicht schneller, als wir glauben."
Bully bedachte mich mit einem, mißbilligenden Blick.
„Nach allem, was wir über die Vorgänge in der Milchstraße wissen, sollten wir uns zunächst einmal darum kümmern, die Völker dort vor weiteren Folgen der Barys-Manipulation zu bewahren."
„Die Materiequelle ist weitgehend saniert", erinnerte ich ihn. „Es wird zu keinen dramatischen Entwicklungen mehr kommen. Aber die Kosmokraten haben angedeutet, daß ihr System einer kosmischen Ordnung von mächtigen Gegnern bedroht ist. Wir werden uns damit auseinanderzusetzen haben - in welcher Form auch immer. Denke nur an die Aussagen von ES. Das
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