0984 - Griff aus dem Dunkel
keuchender Laut, und mit beiden Händen packte er Imelda, um die Frau von der Liege her in die Höhe zu reißen.
Das sah auch der Rabe. Bisher hatte er bewegungslos auf seinem Totempfahl gehockt.
Jetzt nicht mehr.
Er riß die Flügel hoch und startete…
***
Der Friedhof kam uns beiden vor wie eine dunkle Hölle. Wir hatten Johnny gehört, sein Lachen hatte zwar verändert geklungen, aber es war unverwechselbar gewesen, das wußten Sheila und ich genau. Nun kam es darauf an, den Jungen zu finden.
Es war kein sehr großer Friedhof, und es wäre bei Tageslicht auch kein großes Problem gewesen, aber hier in der Dunkelheit und weil das Gelände so dicht bewachsen war, kriegten wir schon unsere Schwierigkeiten, denn es schimmerte nicht ein Licht, das uns eventuell den Weg zum Ziel gewiesen hätte.
Ich hatte meine Lampe hervorgeholt, doch das wild wachsende Buschwerk, von keinem Gärtner gestutzt oder geschnitten, fing den hellen Lichtstreifen einfach ab, so hatten wir zunächst das Nachsehen.
Orientieren konnten wir uns nicht mehr, denn ein zweites, lautes Lachen war nicht aufgeklungen. Wir gingen nach vorn und konnten nur hoffen, uns nicht in der Richtung geirrt zu haben.
Sheila hielt sich dicht an meiner rechten Seite. Sie war unwahrscheinlich aufgeregt. Dabei sprach sie nicht, aber ihr heftiges Atmen, schon ein Keuchen, wies darauf hin.
Ich hielt sie fest. Ich zerrte sie über die Gräber hinweg. In diesem Moment spielte das keine Rolle. Auf Pietät konnten wir verzichten. Wir mußten nur so schnell wie möglich das Ziel erreichen, auch wenn die Hindernisse oft genug im Weg standen und wir die manchmal sehr klobigen und breiten Grabsteine erst im letzten Moment entdeckten. Bei einigen hatten wir nicht mehr ausweichen können. Ich zumindest war gegen sie gelaufen und hatte so manchen Fluch schlucken müssen.
Aber ich zerrte Sheila immer noch hinter mir her.
Es waren nicht nur die Grabsteine, die Hindernisse bildeten. Abseits der Wege und mitten im Gelände hatten wir große Mühe, uns durch die Büsche zu schlagen. Immer wieder bildeten sie dichte Wälle, die wir umgehen mußten; wegen dieser Umwege kamen wir nur langsam voran.
Bis wir Stimmen hörten.
»Da!« keuchte Sheila nur. Sie riß sich von meiner Hand los und blieb stehen.
Um sie anschauen zu können, mußte ich mich umdrehen. Ihr Gesicht zeigte eine gewisse Starre, die ihre Angst finden Moment hatte einfrieren lassen. Deshalb kam sie mir auch so fremd vor. Nur ihre Augen bewegten sich. Durch die wechselnden Blicke versuchte sie herauszufinden, wo sich die Sprecher aufhielten.
Das war nicht möglich.
Sie versteckten sich hinter den natürlichen Deckungen, die auch den Klang der Worte verzerrten, so daß wir so gut wie nicht erfuhren, was da gesprochen wurde.
»Das war doch Johnny - oder?«
Auf Sheilas bange Frage hin nickte ich.
»Und wo?«
»Komm jetzt!«
Sie ging noch nicht. Plötzlich hatte sie es nicht mehr eilig. Statt dessen gab sie mir zu verstehen, daß sie Angst hatte. Bei jedem Wort bewegte sie ihre Hände. Mal streckte sie die Finger aus, dann bildeten sie Fäuste und sie nickte auch.
»Damit kommen wir nicht weiter, Sheila!«
Sie ließ sich nicht beirren und blieb bei ihrer Meinung. »Ich habe fürchterliche Angst vor dem Unabwendbaren. Das mußt du doch verstehen, John. Es ist einfach grauenhaft.«
»Ja, ich weiß.«
»Denkst du denn so wie ich?«
Ihre Stimme hatte geflattert, und eine Antwort verschwieg ich ihr. Ich wollte sie nicht in Bedrängnis bringen, denn auch ich hatte allmählich den Eindruck daß sich Johnny in die falsche Richtung entwickelte, obwohl ich ihn noch nicht sah.
Er mußte gestoppt werden.
»Dann werde ich gehen, Sheila.«
Dieser Vorschlag gefiel ihr nicht. Ein kurzes Kopfschütteln, dann die Antwort. »Nein, John, nicht du allein. Ich werde bei dir bleiben. Ich muß einfach mit.«
»Dann aber los!«
Sheila hatte ihr Hindernis im Kopf überwunden. Plötzlich hielt sie nichts mehr. Ich mußte sie schon zurückhalten, denn sie wäre einfach losgerannt und…
Ein Schrei unterbrach meine Gedanken. Er stammte von einer relativ hellen Stimme. Eine Frau hatte ihn nicht ausgestoßen, eher ein Junge, und meine Sorgen wuchsen. Ob wir noch rechtzeitig kamen?
***
Bills Hände waren wie Klammern. Er drückte die Finger fest in das Fleisch der Schamanin. Für den Bruchteil einer Sekunde wunderte er sich sogar darüber, daß der Körper aus Haut und Muskeln bestand und nicht aus Holz, wie es den Anschein
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