0986 - Das Ende der Sternenstadt
und gleichförmig, wie er es gewöhnt war, sondern es gab fliegende Dinger darin, die langsame Kreise zogen. Tief unten lag eine graugrüne Ebene, durch die sich ein sehr breiter Wasserlauf zog. Auch in seiner unmittelbaren Nähe gab es Wasser. Es fiel in schmalen, glitzernden Fäden über die Felsen, sammelte sich am entgegengesetzten Ende des Plateaus in einem Felsenbecken und floß über den Rand nach unten ab.
Thezein verspürte plötzlich ein so, brennendes Bedürfnis, frisches Wasser in sich aufzunehmen, daß er alle anderen Beobachtungen auf einen spateren Zeitpunkt verschob. Er lief so schnell er konnte zu dem Becken hin, warf sich hinein und saugte sich voll.
Erfrischt erhob er sich und trat wieder an den Rand des Plateaus - da merkte er, daß er den Kristall nich tmehr in der Hand hielt. Er mußte ihn losgelassen haben, als er im Wasser lag.
Er drehte sich um, fest entschlossen, den rätselhaften, violetten Stein zu suchen. Was er aber sah, war so unglaublich, daß er sich verblüfft auf die Hinterbeine setzte.
Das Wasser war gefroren.
Ehe er noch darüber nachdenken konnte, was das zu bedeuten hatte, knackte es in dem Eis, mit dem das Felsenbecken ausgefüllt war, und dann kam etwas zum Vorschein, was den armen Thezein in eine wahre Starre der Angst versetzte.
Zuerst erschien ein nebelhaft erkennbarer Kopf, dann ein Rumpf der keine Arme hatte und halb durchsichtig war. Kein Zweifel, er hatte es mit einem Bürger sehr hohen Gehalts zu tun.
Sein erster Gedanke war, daß man ihn nun doch wiedergefunden hatte und daß es sinnlos war, die Flucht fortsetzen zu wollen. Dann kam auch der Rest des Bürgers aus dem Eis hervor, und Thezein begriff, daß die Sachlage doch ein wenig komplizierter war. Unterhalb des Rumpfes gab es nämlich weder eine sichtbare noch unsichtbare Fortsetzung des Körpers, sondern einen strahlenden, violetten Kristall, viel kleiner als der den Thezein an diesen Ort gebracht hatte, aber unzweifelhaft gewissermaßen eine neue Form jenes Steines, den dieSchwärme nicht hatten akzeptieren wollen.
„Wer bist du?" wisperte Thezein ängstlich.
Der Kopf des Bürgers wurde etwas weniger nebelhaft. Thezein glaubte zwei stechend schwarze Augen sehen zu können, die ihn Komponente für Komponente musterten.
„Malbeeram", sagte der Bürger halblaut. „Wie nennst du dich?"
„Thezein", flüsterte der Spaltling.
„An welchem erbärmlichen Ort befinden wir uns hier?" erkundigte sich Malbeeram.
„Ich weiß es nicht. Ich war nie zuvor hier."
„Dann ist das gar nicht dein Lebensbereich?"
„Ich gehöre auf die Ebene der Schnellfüßigen", erklärte Thezein kleinlaut.
„So. Und warum bist du hier?"
„Das ist eine lange Geschichte ..."
„Spare sie dir", empfahl Malbeeram nüchtern. „Du bist ein Spaltling, der sich keiner neuen Gemeinschaft einordnen will."
„Woher weißt du das?" fragte Thezein verblüfft.
Es ist sehr leicht zu erraten", behauptete der Bürger Malbeeram und schwebte vom noch immer mit Eis gefüllten Becken weg. Dabei löste sich der Kristall immer weiter auf, und als er erlosch, waren nicht nur die Beine des Bürgers sichtbar, sondern er war im Ganzen nicht mehr so nebelhaft zu erkennen. „Wie bist du an die Wiege der Vollendung geraten, Thezein?"
„Was ist die Wiege der Vollendung?" erkundigte Thezein sich verständnislos.
Malbeeram winkte mit einem seiner jetzt schwachsichtbaren Arme ab.
„So nannten wir den Ort, an dem du die Kristalle gefunden hast", erklärte er, und seine Stimme hatte einen sonderbaren Klang. „Ich hatte schon nicht mehr zu hoffen gewagt, daß jemals ein anderer Bürger uns finden würde."
„Die Blühenden hatten mich von ihrem Lebensbereich geworfen", murmelte Thezein, dem die ganze Angelegenheit alles andere als geheuer war.
„Blühende!" wiederholte Malbeeram streng. „Waren es Spaltlinge so wie du?"
„Ja."
„Ist dir nichts an ihnen aufgefallen?"
Thezein wollte bereits verneinen, da brach etwas aus seiner Erinnerung hervor.
„Sie hatten Gefuhle", sagte er erstaunt.
Malbeeram glitt auf seinen halbstofflichen. Beinen ein Stück näher heran.
„Bist du sicher?" fragte er in einem seltsamen Tonfall.
„Ja", sagte Thezein abermals.
„Du meinst, du konntest das beurteilen?" forschte Malbeeram unbarmherzig weiter. „Hast du selbst Gefühle? Intensive Gefühle? Gibt es Dinge, vor denen du dich fürchtest?"
Thezein wich vorsichtig ein Stück zurück.
„Du bist einer von denen, die mich suchen sollen", vermutete er.
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