0986 - In den Fängen der Nacht
schien nur eine glatte Fassade vorhanden zu sein, was ich aber nicht glaubte.
»Entweder hat man die Fenster verhängt oder sie mit schwarzer Farbe bepinselt.«
»Man hat eben etwas zu verbergen. - Gehen wir?«
Ich nickte und wollte schon nach dem Türgriff fassen, als wir beide durch unseren Freund Barry F.
Bracht gestört wurden. Es war keine Störung, die uns erschreckte. Wir hörten ihn nur leise stöhnen, was schon mehr einem Seufzen glich.
Sofort änderten wir unseren Plan und blieben steif auf unseren Sitzen hocken.
Barry war wieder ruhig geworden, wir allerdings nicht.
Seine Haltung hatte sich nicht verändert. Nichts wies darauf hin, daß er etwas Schreckliches durchmachte, einen Alptraum oder ähnliches. Sein Gesicht wirkte ruhig, entspannt, aber plötzlich zuckten die Lippen wieder. Der Mund zeigte auch ein verzerrtes Grinsen, dann hörten wir wieder das Seufzen, das in einem flüsternd gesprochenen Satz endete.
»Luzifer steht hinter ihr. Er ist ihr Chef. Er ist ihr Mentor. Gütiger Himmel…«
Mehr drang nicht aus Barrys Mund. Es war ein Teil dessen gewesen, was dem Schattenkrieger Zebulon aufgefallen war.
Suko und ich hatten jedes Wort verstanden und schauten uns an. »Das wird kein Spaziergang«, flüsterte mein Freund, der noch einmal auf Luzifer zu sprechen kam und wissen wollte, was Barry mit ihm gemeint haben könnte.
Ich fühlte mich überfragt. »Was ich auch sage, Suko, ist Spekulation. Da kannst du dir selbst etwas aussuchen, aber die Kreaturen der Finsternis sind seine direkten Abkömmlinge. Dämonische Derivate«, sagte ich noch und schüttelte bissig den Kopf. Ich kam über die Existenz dieser Wesen einfach nicht hinweg. Obwohl ich in meinem Job schon verdammt viel durchgemacht hatte, fiel es mir verflucht schwer, eine Existenz wie diese zu akzeptieren.
»Mich haben seine letzten Worte - gütiger Himmel, sagte er - beunruhigt«, fuhr Suko fort. »Das ist so gar nicht seine Art. Da muß ihm was Furchtbares über den Weg gelaufen sein.«
»Wir werden es sehen.« Bevor ich endgültig ausstieg, schaute ich mir den schlafenden Lektor an.
Er wirkte jetzt entspannter. Nichts an ihm wies darauf hin, was sein Zweitkörper, der Schattenkrieger, durchmachte.
Wir stiegen endgültig aus. Dabei wurde ich den Eindruck nicht los, vom Haus her unter Kontrolle gehalten zu werden. Irgend jemand lauerte dort und beobachtete uns. Aber es war nichts zu sehen.
Kein Fenster, kein Licht, nur diese dunkle, beinahe böse anmutende Fassade. Es war kaum ein Geräusch zu hören, als wir die Türen zudrückten. Wir wollten die Stille nicht zerstören, und selbst das Rauschen des wirklich nicht weit entfernt liegenden Meeres war so gut wie nicht zu vernehmen, denn die Dünenhügel schirmten es ab.
Die ehemalige Fischfabrik lag schräg vor uns. Nach wenigen Metern würden wir am Eingang stehen, und wir stellten sehr bald fest, daß die Fassade nicht so glatt aussah, wie sie gewirkt hatte.
Da malten sich schon Fenster ab, aber sie waren tatsächlich dunkel angestrichen worden. Wir konnten es deshalb so gut erkennen, weil das alte Mauerwerk weniger dunkel war. An einigen Stellen hatte sich auch der Verputz gelöst und blasse Flecken hinterlassen, doch die Wände strömten noch immer einen leichten Fischgeruch aus. Oder ich bildete ihn mir auch nur ein.
Suko hielt mich am linken Ellenbogen fest. Er deutete dorthin, wo sich auch der Eingang befand.
»Was ist da?«
»Ein optisches Auge. Eine Kamera.«
Das ärgerte mich. »Meinst du, daß wir uns in der Blickrichtung befinden?«
»Ich fürchte schon.«
Wir wußten zumindest Bescheid und brauchten auch nicht besonders vorsichtig zu sein. Deshalb ließen wir mit ziemlich schnellen Schritten den leicht abfallenden Weg hinter uns und sahen schließlich den alten Bau zum Greifen nahe vor uns.
Hätte mir jemand vor zwei Tagen erzählt, daß ich hier die Redaktion einer Zeitschrift finden würde, ich hätte ihn ausgelacht. Unter einer derartigen Firma stellte man sich Hektik vor, Menschen, die vor ihren Bildschirmen saßen, die schrieben, die telefonierten, die faxten, all das fehlte hier. Der Bau wirkte ebenso tot wie seine in der Dunkelheit untergegangene Umgebung.
»Reinkommen müssen wir«, sagte Suko und bewegte seine Schritte auf den Eingang zu. Von der Breite her hätte sogar ein Lastwagen hindurchgepaßt. Das Tor bestand aus zwei dicken Holzflügeln.
Auch sie strömten den leichten Fisch- oder Trangeruch aus, aber das kümmerte mich nicht mehr, denn
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