0987 - Asmodis' Retter
Fälle bildeten. Fälle, die im Bereich des Übersinnlichen lagen, egal, ob es um Dämonenjagd, Abwehr von Vampiren und Werwölfen oder die Aufklärung alter Mysterien ging.
Es handelte sich um einen französischen Parapsychologen, der zusammen mit seiner Gefährtin in einem Schloss oberhalb der Loire wohnte. Und diesen Mann rief Luc Avenge unverzüglich an.
***
Erinnerung
»Vater!«, rief Omar. »Onkel Weißbart kommt!«
Dylan sah von den Pflöcken auf, die er gerade schnitzte, und legte sie ins Gras. In den letzten Wochen war es in Granada gelegentlich zu Vampirüberfällen gekommen, die er nicht länger hinzunehmen gedachte. Der Kampf gegen die Krokodilköpfigen bei seiner Ankunft vor Jahren hatte ihm jedoch gezeigt, dass er sich alleine auf den Tattooreif nicht verlassen durfte. Denn während die Tribalschlieren mit einem Gegner beschäftigt waren, konnte er sie nicht zugleich bei einem anderen einsetzen. Also mussten Alternativen her!
Er stemmte sich hoch und streckte seine Knochen. Dabei entrang sich ein Ächzen seinen Lippen. Wurde er langsam alt?
Verwunderlich wäre es nicht, schließlich steckte er schon lange genug in der Vergangenheit fest. Eine Frau und sieben Kinder lang, um genau zu sein. Omar war mit zwölf Jahren sein jüngster Spross, Hamid mit zweiundzwanzig sein ältester.
Da durften einem ruhig die Knochen allmählich wehtun. Trotzdem wusste er, dass es sich nur um pflockschnitzbedingte Haltungsschäden und nicht um ein Zeichen des Alterns handelte. Anfang fünfzig, was war das schon?
Vor allem für jemanden wie ihn…
Weißbart kam auf das Haus zu, das Dylan etwas abseits für sich und seine Frau gebaut hatte. Auch wenn die Bewohner des Sultanats Granada gerne auf seine Fähigkeiten als Dämonenjäger zurückgriffen, wollten sie ihn doch nicht in ihrer Mitte wissen.
Wie so oft wunderte er sich darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit man in dieser Zeit und in dieser Gegend die Existenz schwarzblütiger Wesen akzeptierte. Im ach so aufgeklärten zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert, in dem er früher gelebt hatte, war davon nicht mehr viel übrig geblieben.
Omar rannte ins Haus. Als er den Alten zuletzt gesehen hatte, war er vier oder fünf Jahre alt gewesen - und er hatte sich stets vor ihm gegruselt.
»Guten Morgen, Reifträger«, sagte Weißbart, als er den Schotten erreichte.
(In seiner Hypnose wusste Dylan, dass dieser Begriff auf Arabisch fiel, so wie man Mohammed I. wegen seines roten Barts Al-Ahmar, den Roten, nannte. Und doch konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie er in dieser Sprache lautete.)
»Einen guten Morgen auch dir, mein Freund.«
Seit ihrer ersten Begegnung im Hof der Alhambra hatte Weißbart sich kaum noch englisch mit ihm unterhalten. Nur, um ihm Arabisch beizubringen, hatte er gelegentlich darauf zurückgegriffen.
Der Schotte hätte zu gerne gewusst, woher der Alte in der roten Robe seine Heimatsprache kannte. Doch Fragen danach hatte Weißbart stets weggelächelt.
»Wir haben uns lange nicht gesehen«, sagte Dylan.
»Über sieben Jahre. Ich weiß. Andere Verpflichtungen führten mich mal hierhin, mal dorthin.«
Dylan fragte nicht, was das heißen sollte. Er würde ohnehin keine Antwort erhalten. Weißbart war kein Freund großer Erklärungen. »Was bringt dich dann wieder in diese Gegend?«
»Ich wollte dich sehen. Dich anschauen. Deine Geschichte prüfen.«
»Welche Geschichte?«
Der Alte lächelte. »Die, dass es dich aus der Zukunft hierher verschlagen hat.«
Dylan freute sich, Weißbart wiederzusehen. Aber er wusste nicht, ob ihm die Richtung gefiel, die das Gespräch einschlug. »Glaubst du mir etwa doch nicht? Nach all den Jahren, die ich den Eindruck hatte, dass du mir vertraust?«
»Oh, ich vertraue dir. Aber natürlich blieben Restzweifel, weil sich so eine Geschichte nicht beweisen lässt.«
»Das liegt nur daran, dass ich über diese Zeit so gut wie nichts weiß und deshalb keine Vorhersagen treffen kann, was passieren wird. Tut mir leid, dass ich vor meiner Zeitreise nicht noch die spanischen Fußballergebnisse des dreizehnten Jahrhunderts studiert habe.«
Weißbart machte nicht den Eindruck, als hätte er den letzten Satz verstanden. Dennoch ging er nicht darauf ein. »Hattest du nie Angst, dass du die Zukunft, wie du sie kennst, durch deine Anwesenheit veränderst? Vielleicht wären diese… Fußballergebnisse nur wegen deiner Existenz in dieser Zeit nie so eingetreten.«
»Natürlich habe ich mir Gedanken
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