0987 - Asmodis' Retter
denke, dass es sich um unseren Monsieur Avenge handeln dürfte. Die Fotos wurden erst vor wenigen Minuten ins Netz gestellt. Moment, ich schicke sie dir sofort.«
»Schon angekommen.«
»Der Text dazu ist nicht allzu lang und behauptet, dass es dabei wohl um Experimente mit Menschen geht. Und… hey, was soll das? Jetzt gibt es diesen Link nicht mehr. Eine Laufschrift zeigt an, dass diese Fotos nur auf meinem Computer und Deinem TI-Alpha liegen, nirgends sonst.«
»Da hat Avenge wohl mit Druiden-Magie nachgeholfen. Er mag solche idiotischen Spielchen. Ich habe die Fotos noch.«
Zamorra bedankte sich bei Lafitte und beendete das Gespräch.
»Egal, ob Dylan morgen früh fit ist oder nicht«, sagte er, »aber wir beide reisen so schnell wie möglich nach Libyen. Zum ehemaligen Tempel des Amun-Re…«
***
Erinnerung
Wieder einmal starrte Dylan ein wuchtiges Bauwerk an, auch wenn es an die Alhambra von Granada nicht heranreichte.
Es handelte sich um Château Montagne!
Ein futuristischer Bau für die Zeit, in der Dylan sich bewegte. Man schrieb das Jahr 1445. Und wie der Schotte inzwischen wusste, hatte Weißbart recht behalten, damals an diesem Tag, da sie sich das letzte Mal sahen.
Dylan war tatsächlich nicht gealtert. Der Plan, sich bis ins Jahr 2012 durchzuschlagen und nach dem Verschwinden seines früheren Ichs dessen Leben nahtlos fortzusetzen, schien also durchaus realisierbar. Doch inzwischen hatte sich ein anderes Problem eingestellt, mit dem er nie gerechnet hätte.
Er vergaß!
Das Gesicht von Professor Camorra zum Beispiel. Oder das von dessen Lebensgefährtin Nicole Lavalle. Er war sich ja noch nicht einmal mehr bei den Namen sicher.
Etwa zweihundert Jahre waren vergangen, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Oder - anders herum gerechnet - etwa sechshundert Jahre würden noch vergehen müssen, bis er sie wiedersah.
Dreimal so lange wie bisher. Wie sollte er sich danach nur noch an etwas erinnern können?
Da war ihm das Schloss eingefallen, in dem Camorra und Nicole lebten. Oder leben würden. Hatte der Professor ihm nicht erzählt, dass das Château vor einem knappen Jahrtausend erbaut worden war? Musste es also folglich nicht schon stehen?
Dylan machte sich auf den Weg, um nachzusehen. Vielleicht rief der Anblick ein paar Erinnerungen in ihm wach.
Für eine solche Reise konnte er sich alle Zeit der Welt nehmen. Außerdem gab es niemanden, der ihn zurückhalten würde. Seine Frau und Kinder waren längst alle tot. Seitdem hatte er nie wieder eine Familie gegründet. Zu gewaltig tobte der Schmerz in einem, wenn man geliebte Menschen altern und sterben sehen musste, ohne dass einem auch nur ein graues Haar wuchs.
Aus diesem Grund hatte er auch Granada verlassen. In einer Zeit, in der die Bevölkerung die Existenz von Dämonen und Hexerei nicht anzweifelte, immer das gleiche Aussehen zu bewahren, konnte einem schnell Probleme bereiten. Allzu leicht wurde man schwarzmagischer Praktiken beschuldigt.
Seitdem zog er durch die bekannte Welt, verdingte sich als Dämonenjäger und brach seine Zelte ab, bevor ihm zu großes Misstrauen entgegenschlug.
Unzählige Abenteuer - von denen er sich in Hypnose an kein einziges erinnern konnte - lagen hinter ihm.
Und nun stand er hier, etwa einen Kilometer von Château Montagne entfernt, und starrte das Gemäuer aus der Ferne an. Leider musste er feststellen, dass es ihm kein bisschen dabei half, sich Camorras Gesicht ins Gedächtnis zu rufen. Über dem weißen Anzug sah Dylan weiterhin nur eine ebensolche Fläche.
Vielleicht sollte er sich einfach setzen und die nächsten Jahrhunderte abwarten. Eines Tages würde der Professor an ihm Vorbeigehen und Dylans Erinnerung auf die Sprünge helfen.
Wenn du ihn dann überhaupt noch erkennst.
Was für ein Hohn! Er hatte von der Quelle des Lebens getrunken und später die relative Unsterblichkeit wieder verloren. Wenn er Camorra eines Tages wiedersah, würde er trotzdem länger gelebt haben als der eigentlich Unsterbliche.
Ha! Jetzt stieg ihm doch eine Erinnerung in den Sinn. Camorras ewige Jugend war verbunden mit dem Leben einer anderen Person. Rhett irgendwas. Ein kaum aussprechbarer Nachname.
Richtig! Deshalb hatten sie gehofft, die Seelensplitter zu finden, diese uralten Artefakte, die Merlin einst zur Reinigung der Erbfolge in Lemuria erschaffen hatte. Die Gosh-Dämonen hatten sie vor Urzeiten gestohlen, doch als diese widerlichen Geschöpfe in Andalusien wieder auftauchten, hatten Camorra und Dylan gehofft,
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