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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Davies
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seine Spur verwischt war. In dieser autonomen Wohnstadt konnten sie mit ihm tun, was sie wollten. Umbringen, verschwinden lassen oder einfach in einer unterirdischen, abgelegenen Zelle vergessen. Außer Ann würde ihn kaum jemand vermissen.
    Ein Geräusch ließ ihn zur Seite blicken, wo der Gang in den Keller mündete. Da war nur ein schwacher Lichtschein, aber er genügte, um die magere Ratte zu erkennen, die da saß und ihn musterte. Der lange Schwanz bewegte sich unruhig im Staub, und das Fell vibrierte unter ihrem hastigen Atem. Sie huschte näher und sicherte mißtrauisch.
    „Hey“, sagte Jerry mit krächzender Stimme und hoffte, sie dadurch zu erschrecken. „Geh weg, du Biest!“ Aber sie reagierte nicht. Unverwandt blickte sie zu ihm hoch, ihre Äuglein funkelten, die Barthaare zuckten. Noch einmal ein paar huschende Bewegungen, und sie saß aufrecht zu seinen Füßen. Schnüffelnd untersuchte sie den Teppich, der scharfe Geruch schien sie zu reizen. Sie kratzte mit den scharfen Zähnen an dem groben Gewebe. Sie nahm die Vorderfüße zu Hilfe und begann eifrig zu nagen. Die Ratte hatte Hunger.
    Jerry stand barfuß in der Rolle. Sie würde seine Haut wittern. Er konnte sich nicht wehren. Schon meinte er, ihre scharfen Zähne an seinen nackten Füßen zu spüren, und er fühlte, wie er in Panik geriet.
    Er versuchte, sich durch langsames Atmen zu beruhigen. Er konnte sich immer noch umfallen lassen und das Tier mit seinem Gewicht zerquetschen. Was aber kam dann? Dann lag er wehrlos auf dem Boden, und wer garantierte ihm, daß es hier nur eine Ratte gab? Daß sie nicht in Scharen herbei strömen würden? Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Schon meinte er, das leise Trappeln ihrer vielen, flinken Füße zu hören, ihr Pfeifen und das Schlagen ihrer nackten Schwänze.
     

     
    Sie hatten sich hastig in Jerry Bolands Apartment zurückgezogen, ehe wieder ein Schlägertrupp auftauchen und Davidson zu allerlei waghalsigen Kunststückchen zwingen konnte. Jetzt erst kam Ann zur Besinnung.
    „Das ist ja schrecklich!“ sagte sie ergriffen. „Bedeutet das, was wir eben erlebt haben, daß all die Kinder in der Gewalt einer fremden Macht stehen?“
    „So fremd ist mir diese Macht gar nicht“, antwortete Davidson. „Aber ich hatte auch nicht geglaubt, daß es hier schon so weit wäre.“
    „Erklären Sie mir, was Sie gemacht haben“, bat Ann.
    „Ich kann Ihnen nicht alle Zusammenhänge darlegen“, wehrte er ab. „Ich müßte beim kanaanäischen Kindermord beginnen und der grausigen Tradition, die sich von damals durch die Jahrhunderte zieht. Aber das hat keinen Zweck. Jedenfalls steht fest, daß zumindest die Kinder des Vorschul-Kindergartens, den wir besucht haben, geschult sind, sich nachts in Vampire zu verwandeln.“
    „Aber wie ist das möglich? Sie sind doch noch so klein! Sie verstehen das alles doch gar nicht!“
    „Ich sagte schon, daß Vampirismus in der anderen Welt die Rolle einer Suchtkrankheit spielt. Aus der Medizin wissen Sie sicher, daß es auch minderjährige Drogenabhängige bei uns gibt, Fünfjährige, die ohne Zigarette nicht mehr leben können, und so weiter.“
    „Ich verstehe. Wer hat sie in diese Abhängigkeit gebracht?“
    „Das weiß ich noch nicht. Ich kann noch nicht sagen, ob man hier eine Filiale des Bösen aufbauen will, indem man sich die Jugend sichert, oder ob auch schon die Erwachsenen davon erfaßt sind.“
    „Mrs. Kant zumindest scheint es zu sein.“
    „Ja, ganz gewiß. Wir müssen jetzt herausfinden, ob es auch bei anderen der Fall ist.“
    „Kennen Sie eine Möglichkeit dazu?“
    Davidson nickte langsam.
    „Es gibt eine Methode. Aber ich wende sie nicht gern an, denn sie ist grausam und im Grunde unwürdig. Man muß einen von ihnen oder ein Tier, das zu ihnen gehört, in seine Gewalt bringen und in Todesangst versetzen. Dann verlassen alle anderen ihre Verstecke, um ihm zu helfen, und dabei müssen sie notwendigerweise ihre Masken fallenlassen.“
    „Aber das ist doch sicher auch gefährlich für Sie?“
    „Gewiß. Wenn auch nicht so, wie Sie meinen. Gegen zauberische Angriffe, um es einmal so auszudrücken, kann ich mich mit Gegenzauber wehren. Aber jedes Wesen, das ein anderes quält, nimmt irgendeinen Schaden an der eigenen Seele.“
    „Auf Erden ein schwacher Trost für den, der gequält wird“, sagte Ann sarkastisch, aber Davidson schüttelte den Kopf.
    „Wer lebt denn nur auf Erden?“ fragte er und griff nach dem Telefonapparat. „Ich muß

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