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099 - Die Lady mit den toten Augen

099 - Die Lady mit den toten Augen

Titel: 099 - Die Lady mit den toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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legte vorsichtig seine Rechte auf die schmalen, knochigen
Schultern der Alten.
    „Nun, wie
geht’s?“ fragte er laut, daß es durch den Hof schallte.
    Die alte Frau
hob das zerknitterte Gesicht. Sie verzog die blauen, dünnen Lippen und freute
sich. Unartikulierte Laute kamen aus ihrem Mund, die kein Mensch verstand.
    „Na, wunderbar!"
Hill zeigte sein freundlichstes Gesicht. „Dann machen Sie mal schön weiter!“
    Als sie auf
den Haupteingang zugingen, erklärte Hill: „Sie hört kaum noch etwas, sie ist
taub und stumm. Sie war mal - nach dem zweiten Weltkrieg - eine bekannte
Sängerin gewesen. Durch ein Fieber trat später Hirnschwund ein, der sich
langsam aber stetig fortsetzt. Man kann ihr nicht mehr helfen. Man kann
eigentlich niemand mehr helfen, der hier eingeliefert wird. Und deshalb ist
Lord Billerbrokes Entscheidung, diesen Menschen einen
eigenen Lebensraum zu schaffen, da das andere Leben, das sie bisher umgeben
hat, nicht mehr wirksam ist, um so mehr zu begrüßen. Wenn man erst mal weiß,
daß hier Menschen sind, die sich ihres Menschseins nicht mehr erinnern,
versteht man, was es bedeutet, mit solchen Menschen, die niemand mehr haben
will, unter einem Dach zu leben. Wir haben vier Tobsüchtige. Wenn sie ihre
Schreianfälle bekommen, hallt es durch das ganze Schloß, die dämpfen auch die
dicksten Mauern nicht. Wir haben hier nicht nur alte, sondern auch viele junge
Menschen. Das wissen die wenigsten. Jugendliche, die sich durch Alkohol und
Drogen kaputt gemacht haben und denen kein Arzt mehr
helfen kann. Ihre Lebern zersetzen sich ebenso wie ihre Hirne. Sie sind schon
lebende Leichen und erkennen selbst nicht ihren Untergang. Täglich erhalten sie
ihr Quantum Rauschgift, weil eine Entziehungskur nichts mehr nützt. Sie werden
hier viel zu sehen bekommen, Mister Conter . Und ich
glaube, daß, wenn Sie es erst mal gesehen haben, Sie gar nicht mehr so
versessen darauf sind, in allen Einzelheiten darüber zu berichten. Die Menschen
wollen so etwas gar nicht sehen. Das ist meine Meinung.“
    Damit hatte
er vielleicht nicht mal unrecht.
    Ehe sie ins
Schloß gingen, verharrten sie einen Augenblick vor dem Eingang, und Hill
erklärte, daß sie mit einem Minimum an Pflegepersonal auskommen müßten und daß
Lord Billerbroke selbst oft Hand anlegte, wo es
notwendig war.
    Kunaritschew
ließ seinen Blick an der verwitterten Hausfassade emporgleiten.
    Dies war der
Wohntrakt. Kunaritschew hatte den Wunsch geäußert, Lord Billerbroke zu sehen, wenn es möglich wäre. Daraufhin hatte Hill sofort reagiert. Es wäre
eine günstige Zeit, mit dem Lord zu sprechen, hatte er gemeint. Morgens um
diese Zeit hätte er meistens seine Waldspaziergänge hinter sich und widme sich
dann seinen Hobbys.
    Er war
Kunstsammler. Noch ehe Iwan auch nur einen einzigen Schritt in den Schloßbau
getan hatte, bekam er schon eine Vorstellung davon, was es hier zu sehen gab.
    Der Russe
bemerkte beim Hochschauen vor dem Betreten des Wohntraktes, daß sich an einem
schräg über ihm liegenden Fenster etwas bewegte.
    Ein Kopf
zuckte zurück.
    Jemand hatte
von oben herabgeschaut. Jetzt wich er dem Blick des fremden Gastes aus.
    „Wir können
gehen“, sagte Hill und betätigte den schweren bronzenen Türklopfer. Laut
hallten die Schläge durch das Haus.
     
    ●
     
    Am Fenster
des zweiten Stocks ließ eine hagere, groß gewachsene Gestalt langsam den Vorhang los, hinter der sie die ganze Zeit über gestanden
hatte.
    Es war düster
im Raum. Die schweren, dicht gewebten Vorhänge ließen kaum einen Lichtstrahl in
das prachtvoll eingerichtete Schlafzimmer, in dem kostbare Möbel und ein
breites Himmelbett standen.
    Als der
Beobachter neben dem Fenster sich löste, war zu erkennen, daß dort noch jemand
stand.
    Eine Frau.
Jung, schön, mit langen, blonden Haaren, die 'schwer wie flüssiges Gold über
ihre Schultern fielen.
    „Wer ist da,
Desmond?“ fragte sie leise.
    „Ein
Fremder."
    „Was will er
hier?“
    „Ich weiß es
nicht, aber ich habe Anthony ein Zeichen gegeben, daß er ihn ins Haus bringen
kann. Ich werde mit ihm sprechen.“
    Lord Billerbroke war um die siebzig. Er bewegte sich erstaunlich
jugendlich und federnd, ein Zeichen dafür, daß er viel Sport trieb.
    An seinem
Körper gab es kein Gramm Fett. Das Haar war sauber gescheitelt, und Billerbroke war eine vornehme, elegante Erscheinung, die sich
Anziehungs- und Spannkraft bewahrt hatte.
    Die schöne
Lady bewegte sich. Das halbdurchsichtige, feingewebte Nacht- sewand , das sie

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