099 - Im Reich der Satansaffen
in diesem weißen Giganten befand, konnte er nicht ahnen.
***
Cruv war noch nicht frei, und Boram wollte Mortimer Kull attackieren! Mein Mund trocknete aus. »Boram!« brüllte ich. Meine Stimme kam mir fremd vor. »Laß ihn!«
Professor Kull drehte sich jäh um.
Für einen Moment war ich nicht sicher, ob Boram gehorchen würde. Wenn er einem Schwarzblütler begegnete, konnte es passieren, daß ihn die Gier übermannte. Dann hörte und sah er nichts mehr, und es war ihm nur noch wichtig, den schwarzen Feind zu vernichten und dessen Energie in sich aufzunehmen.
Meine Kopfhaut zog sich schmerzhaft zusammen.
Wenn der Nessel-Vampir sich auf den dämonischen Wissenschaftler stürzte, verloren wir den Gnom, denn der grüne Parasit würde den Knirps unverzüglich töten.
Der weiße Vampir hatte allen Grund, Kull zu hassen. Schließlich hatte dieser die Höllen-Hyäne geschaffen, die die Bambushütte in Brand gesetzt hatte. Das Feuer hätte Boram sehr leicht zum Verhängnis werden können. Drängte das den Nessel-Vampir nicht zu einem Vergeltungsschlag?
»Greif ihn nicht an, Boram!« schrie ich. »Er hat Cruv in seiner Gewalt!«
Endlich reagierte Boram. Ich atmete erleichtert auf, als ich sah, daß Boram zur Seite trat und langsam an Kull vorbeiging. Ich erklärte dem Nessel-Vampir die ungewöhnliche Situation. Er erfuhr von mir, daß Mr. Silver und ich mit dem dämonischen Wissenschaftler eine Art Nichtangriffspakt geschlossen hatten, weil wir gemeinsam gegen Yul vorgehen wollten.
Borams Haltung entnahm ich, daß er so etwas weder verstehen konnte noch billigte. Ein Bündnis mit Mortimer Kull! Es wäre vor kurzem auch noch für mich undenkbar gewesen, das muß ich zugeben. Aber im Moment war das die beste Lösung. Wenn wir Yul zur Strecke bringen wollten, brauchten wir Mortimer Kull – und er brauchte uns.
»Du wirst dich von Kull fernhalten!« sagte ich zu Boram.
Der Nessel-Vampir antwortete nicht.
»Hast du mich verstanden?« wollte ich wissen.
»Ja, Herr«, sagte die Dampfgestalt mit ihrer hohlen, rasselnden Stimme.
»Kann ich mich darauf verlassen, daß du Kull nicht angreifen wirst?« fragte ich.
Boram zögerte mit der Antwort. Aber dann sagte er: »Ja, Herr«, und mir war sofort bedeutend wohler.
Endlich wirkte Mortimer Kull auf das Schlinggewächs ein. Augenblicke später war Cruv frei. Er entfernte sich sogleich von dem Baum und trat zwischen Mr. Silver und mich. Jetzt hätten wir unser Wort brechen und zu viert über den dämonischen Wissenschaftler herfallen können, aber Kull konnte sich darauf verlassen, daß wir unser Versprechen halten würden.
Dieses eine Mal wollten wir nicht gegeneinander, sondern miteinander kämpfen, und diesem ungewöhnlichen Bündnis sollte Yul zum Opfer fallen.
Wir erfuhren, daß Mortimer Kull sich bereits seit mehreren Tagen in diesem Dschungel aufhielt. Er hatte uns beobachtet und war uns gefolgt, hatte sich aber erst zur Kontaktaufnahme entschlossen, nachdem er für sich die optimalsten Bedingungen geschaffen hatte.
Kull informierte uns über die Taghs, jene Diebe und Seidentuchmörder, die vor langer Zeit mitten im dichten Urwald eine Dagoba gebaut hatten, und denen geweissagt worden war, daß eines Tages ein weißer Dämon Einzug in diesen Tempel halten würde.
»Yul?« fragte ich überrascht. »Das kann nicht sein.«
»Der Prophet der Taghs kann Yul nicht gemeint haben, denn Yul ist kein Dämon im herkömmlichen Sinn«, sagte Mortimer Kull. »Ich bin sein Schöpfer. Er hat sein Leben von mir bekommen. Da er nicht mehr willens ist, meinen Befehlen zu gehorchen, werde ich ihm dieses Leben wieder nehmen.«
»Mir geht ein Licht auf«, sagte ich. »Yul hat von dieser Weissagung erfahren, und er machte die Taghs glauben, er wäre dieser weiße Dämon, auf den sie seit Generationen warten.«
»So ist es«, bestätigte Mortimer Kull. »Seit er in ihrer Urwald-Dagoba ist, bringen sie ihr Diebesgut zu ihm, aber nur das wertvollste, um sich seine Gunst und seinen Schutz zu erkaufen. Sie können nicht wissen, daß Yul keinen seiner zwanzig Finger für sie rühren wird.«
»Warum täuscht er sie?« wollte ich wissen. »Was hat er vor? Warum läßt er sich mit Geschenken überhäufen?«
Mortimer Kull kniff die Augen zusammen. »Er hortet einen Schatz. Wenn dieser groß genug geworden ist, wird er damit die Dschungel-Dagoba verlassen. Er weiß, daß auf der Welt alles seinen Preis hat. Nicht immer genügt für die Verwirklichung großer Pläne der Einsatz von
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