0997 - Blut für den Götzen
taxiert und versuchte nun, mich einzuschätzen, ich aber setzte ein möglichst gleichgültiges Gesicht auf.
Ähnliche Situationen hatte ich schon des öfteren erlebt. In bestimmten Bars oder Etablissements herrschte stets eine bestimmte Atmosphäre, und es gab auch bestimmte Gesetze, nach denen sich alle richteten, ohne allerdings zuvor darauf eingeschworen zu sein. So etwas wußte man einfach, man verhielt sich danach, und die Profis fanden sofort heraus, wer ein Kundiger war oder nur als Amateur kam.
Ich fühlte mich hier als Amateur, wobei ich jedoch versuchte, mich wie ein Kundiger zu benehmen.
Ich saß auf der weichen Plüschunterlage des Hockers. Zlatko blieb vor mir stehen. Er bediente nicht allein. Ein leichtgeschürztes Wesen mit einem etwas schrillen Lachen stand ihm zur Seite.
Der Mann musterte mich nicht nur, er taxierte mich auch, bevor er mich ansprach. »Guten Abend. Was darf es sein, Sir?« In seiner Stimme schwang eine kalte Höflichkeit mit.
»Gin Tonic.«
»Sehr wohl.«
Er ging, mixte Gin und Tonic zusammen, dann stellte er mir das Glas hin. Um seine Lippen hatte sich ein fast spöttisches Lächeln gelegt. »Sie sind zum erstenmal hier, Sir…?«
Ich probierte das Getränk, war zufrieden mit der Mischung und nickte. »Ja, das sieht man, nicht?«
Er hob die Schultern. »Man kriegt einen Blick dafür, möchte ich mal sagen.«
»Dann kennen Sie Ihre Gäste?«
»Die meisten zumindest.«
»Kann ich mir denken.«
»Wir sind gut besucht. Man kann uns als Geheimtip bezeichnen, Sir.«
»Das weiß ich, denn ich bekam diesen Tip von einem Freund.« Ich nickte und sagte: »Also er hat nicht gelogen, was das Ambiente angeht. Es ist wirklich super. Und die Mädchen auch, sagt mein Freund.«
»Da hat Ihr Freund recht.«
Zlatko blieb verbindlich, aber ich wußte genau, daß er mir nicht traute und sich nur mit mir unterhielt, weil er mir auf den Zahn fühlen wollte. Es konnte auch sein, daß er meinen Beruf erkannt hatte. Manche Leute haben ja einen Blick dafür. Im Laufe der Jahre haben sie ihre Erfahrungen sammeln können und schauen deshalb hinter die Fassade, aber ich tat ihm nicht den Gefallen, aus mir herauszugehen, sondern blieb weiterhin gelassen.
»Der Drink ist wirklich gut. Mit dem Gin wurde wirklich nicht gespart.«
»Danke. Wir sind es gewohnt, unsere Gäste in jeder Hinsicht zufriedenzustellen.«
»Das sagt mein Freund auch.«
»Sie sprechen immer von ihrem Freund. - Ich müßte ihn kennen.«
»Bestimmt.« Ich nickte Zlatko zu. »Er heißt Bill.«
»Oh…«
»Wieso?«
»Das ist ein, entschuldigen Sie, Allerweltsname. So heißen viele.«
»Stimmt genau. Aber nicht jeder kann einen so außergewöhnlichen Namen haben wie Sie, Zlatko.«
»Sie kennen mich.«
»Durch meinen Freund«, log ich. »Er hat wirklich viel über das Satisfaction berichtet und auch Sie erwähnt. Sie sind ja so etwas wie eine Institution an der Bar. Hat er zumindest gesagt.«
»Danke für die Blumen.«
Ich winkte ab. »Er hat recht. Aber ich wundere mich trotzdem über ihn, denn wir haben uns eigentlich für heute abend hier verabredet.«
»Vielleicht kommt er noch.«
Ich setzte ein zweifelndes Gesicht auf. »Nein, das kann nicht angehen. Er wollte früher hier ein, aber ich habe ihn nicht gesehen.«
Zlatko setzte eine verschwörerische Miene auf. »Möglicherweise ist er auf ein Zimmer gegangen. Sie wissen doch, daß wir hier…«
»Nein, wir waren hier unten an der Bar verabredet, und sonst ist auf ihn Verlaß. - Okay, ich habe mich etwas verspätet. - Dumm ist das.«
»Da kann ich Ihnen wohl auch nicht helfen.«
»Doch Zlatko. Ich könnte Ihnen meinen Freund beschreiben.«
»Ich gebe ungern Auskunft.«
»Auch nicht gegen Honorar?«
»Wir sind hier sehr diskret, Sir. Das sollten Sie sich merken. Es wird auch Ihnen zugute kommen, denke ich. Hier kann sich jeder so bewegen, wie er gern möchte. Ob er nun prominent ist oder weniger prominent. Unsere Gäste hier sollen sich einfach wohl fühlen. Denken Sie nicht so viel nach, Sir, fühlen Sie sich wohl. Die Auswahl ist groß genug.« Er nickte mir noch einmal zu, und wieder bemerkte ich seinen eisigen Blick. Dann zog er sich zurück, denn die anderen Gäste warteten ebenfalls.
Ich verzog die Mundwinkel. Zlatko war verschwiegen, aalglatt, freundlich zu jedem, aber er war auch einer, der es faustdick hinter den Ohren hatte. Er registrierte alles und würde bestimmt auch nichts vergessen.
Daß ich Bill hier in der Bar nicht getroffen hatte,
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