0997 - Blut für den Götzen
Nicht alle Vierecke waren erhellt, es gab genügend dunkle. Irgendwo konnte ich mir nicht vorstellen, daß sich in einem der Zimmer mein alter Freund Bill mit einem jungen Ding vergnügte.
Ich lief um das Haus herum, denn der Eingang lag woanders. Zu ihm führte eine Treppe hoch. Ihre letzten Stufen lagen geschützt unter einem nach vorn gezogenen Vordach. Der Wind hatte Blätter auf die Stufen geweht.
Die Tür bestand aus festem Holz, nur unterbrochen von einem Guckloch in Augenhöhe, durch das jeder Besucher gemustert wurde. Ich war gespannt, wie man bei mir reagieren würde.
Die Klingel hatte ich sofort gefunden. Im schwachen Licht einer unter dem Vordach angebrachten Außenleuchte sah ich ihn wie einen dicken, roten Tropfen schimmern.
Ich drückte ihn, ging etwas zurück und behielt das komische Guckloch im Blick.
Zunächst tat sich dort nichts. Aber ich hatte die Geräusche gehört, die selbst die dicke Holztür nicht stoppen konnte. Musik und viele Stimmen, die durcheinanderredeten, zeugten von einer wilden und zugleich lockeren Atmosphäre. Wahrscheinlich wurde in diesem Haus alles geboten. Vom einfachen Mineralwasser bis zum Sex pervers.
Hinter dem Guckloch tat sich etwas. Zumindest glaubte ich, dort eine Bewegung oder einen Schatten zu sehen. Ein Auge, das mich genau betrachtete. Ich setzte mein Sonntagslächeln auf und wartete darauf, daß die Tür geöffnet wurde, was zunächst nicht geschah, denn eine weibliche Stimme - durch einen Lautsprecher leicht verzerrt - erkundigte sich sehr freundlich nach meinem Begehr.
Ich war ein wenig überfragt, hob die Schultern, denn die Wahrheit würde ich hier draußen nicht sagen.
Die Stimme schien sich bei ähnlichen Besuchern auszukennen, denn sie fragte: »Sie kommen sicherlich auf eine Empfehlung hin, Sir?«
Ich nickte heftig, damit es auch nicht übersehen werden konnte. »Ja, natürlich, mein Freund war begeistert. Er hat mir dieses Haus wärmstens empfohlen.«
»Das ist etwas anderes.«
Es wurde auch nicht nach dem Namen des Freundes gefragt - diese waren hier Schall und Rauch - statt dessen erklang das Summen, und ich konnte die Tür aufdrücken.
Alles war anders. Ich trat aus dem Dunkel hervor, nicht eben in die strahlende Helle hinein, aber in das Laster oder in eine Lasterhöhle, wie ich sie von Bildern vom Beginn dieses auslaufenden Jahrhunderts her kannte.
Alles war plüschig und überladen. Die Stores, der Lüster, die Sessel, die Tische, selbst die Bar, aber die Mädchen waren knackig und im besten Alter, wie ich mit einem Blick hatte feststellen können.
Auch die Kleine, die mich begrüßte. Sie hatte hellbraune Haut, Rasta-Locken und trug ein kurzes, rotes Kleid. Es war an der rechten Seite etwas verrutscht, so daß ihre Brust fast ganz zu sehen war, was sie aber nicht weiter störte, denn sie begrüßte mich mit einem herzlichen und sehr natürlich wirkenden Lächeln.
»Willkommen bei Freunden«, sagte sie. »Hier wirst du all deine Sorgen und Probleme vergessen.«
»Na hoffentlich.«
»Bestimmt. Komm, es wird sonst zu kalt.«
Ich trat über die Schwelle, während die Tür hinter mir geschlossen wurde. Allerdings kam ich noch nicht dazu, mich umzuschauen, denn die Kleine sprach mich wieder an.
»Du kannst dich hinsetzen, wo Platz ist. Freundinnen von mir sind genügend da. Ob am Tisch, an der Bar…«
»Danke, ich nehme die Bar.«
»Das ist gut.« Sie schenkte mir noch einmal ein Lächeln und wünschte mir viel Spaß.
Das würde sich noch herausstellen, ob ich den hatte. Zunächst einmal suchte ich mir einen freien Hocker und brauchte nicht lange zu schauen, denn ich hatte ihn bald gefunden.
Allerdings hatte ich meinen Freund Bill hier unten nicht gesehen. Sollte sich der Schlingel tatsächlich in Begleitung in eines der Zimmer zurückgezogen haben?
Man konnte ja nie wissen. Ich war froh, Sheila nicht an meiner Seite zu haben, die hätte schon jetzt einen Aufstand gemacht, wo noch gar nichts passiert war. Auf einem Hocker nahm ich Platz.
Mein Blick fiel nicht nur auf die Flaschen in den Regalen, ich schaute mir auch den Barkeeper an, der eher wie ein Rausschmeißer wirkte.
Er wurde Zlatko gerufen, wie ich von einem nicht weit entfernt sitzenden Gast hörte, der für seine Kleine irgendein Spezialgetränk bestellte. Der Keeper mixte es, und er schaute sich dabei auch um, so daß er mich sehen mußte.
Unsere Blicke trafen sich.
In seinen Augen lag plötzlich ein stählerner Ausdruck. Nur für einen Moment. Er hatte mich
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